Längst erschienene Alben zu rezensieren fällt schwer, da die Maßstäbe unklar sind. Soll man die Musik in ihrem damaligen Kontext ihres Genres bewerten, da sie schon längst ein alter Hut und in der heutigen Zeit um ein Vielfaches besser interpretiert wurde? Oder aber ist sie ein zeitloser Klassiker, wo die Klasse und Qualität in der damaligen Zeit somit schon bestätigt wurde und sogar bis zu diesem Tage anhält? Bei PANTERA’s “Vulgar Display Of Power“ trifft zweifelsohne letzteres zu. Es bleibt also nicht mehr zu tun, als sich diese Portion feinsten Haarschüttelmetal schmecken zu lassen. Zusätzlich werden Fans zum zwanzigsten Jubiläum des Albums mit einer dicken Deluxe Edition beschenkt, welche nicht nur die 11 Tracks von damals in remasterter Aufmachung aufbietet, sondern zusätzlich noch den unveröffentlichten Bonustrack “Piss“, sowie eine Bonus DVD mit Liveaufnahmen aus der Blütezeit und allen drei offiziellen Musikvideos auf die Mähne loslässt. Dieses Paket verspricht also ein feines Revival einer denkwürdigen Scheibe.
Der Kern des Ganzen versprüht auch heute noch Energie und Kraft am Fließband. Dieses Album hat seinerzeit den Groove gepachtet und drückt ihn jedem Hörer mit voller Freude ins Gesicht. Das fängt mit dem Opener “Mouth For War“ richtungsweisend an. Über das drückende Riff legen sich Anselmo’s beißende Vocals und spätestens wenn „Dimebag“ Darrell Abbott das erste Solo auspackt und im Outro zum Kopfschütteln einläd, ist der Start in das 58 minütige Riffsperrfeuer gelungen. Es ist nicht verwunderlich, dass auch heute noch einige Bands versuchen diesen Sound zu reproduzieren, um auf ihm aufzubauen. Der Klassikerhattrick mit “Walk“, “Fucking Hostile“ und “This Love“ bedarf kaum tiefgehender Beschreibung. Diese Songs dröhnen in jedem gut bestückten Rockschuppen und es gibt wohl nur wenige, die sich nicht selber schon einmal auf etwaigen Parties den Nacken zu einer der drei Metalhymnen gehörig verbogen haben. Hinzu kommt die Diversität des Trios. Wo “Walk“ dreckig und im Midtempo rotzt, bohrt sich einem “Fucking Hostile“ brutalst in den Gehörgang und “This Love“ wechselt zwischen ruhiger Erholung und wildem, vertracktem Geriffe. Aber wem erzähle ich das?
Unbedingt erwähnenswert ist das anschließende “Rise“, welches im Höchsttempo losschlägt und dann in einen rhythmisch ansteckenden, schon arg von HELMET abgekupferten, Vers übergeht nur um dann in einem wütenden Chorus zu münden. Das Solo besorgt noch rasanter den Rest und leitet ein Outro ein, welches sich in ungeahntes Chaos aufbäumt und schlussendlich explodiert; Wahnsinn! Mit Ausnahme des komplexeren, aber nicht in Fahrt kommenden “By Demons Be Driven“ gibt es am vorhandenen Songmaterial wenig auszusetzen. Fast schon als Seitenhieb auf die großen Vorbilder von einst klingt “Hollow“ auch gesanglich über weite Strecken wie ein Hetfield’sches Machwerk. Es bildet den düsteren und nachdenklichen Abschluss dieser Nackenwalze von einem Album.
Der häufigen Nutzung sich wiederholender Riffs innerhalb eines Songs wirken die Soli, sowie die generelle Vielfalt über die Albumlänge hinaus, erfolgreich entgegen, sodass sich die Freude am konstant walzenden Treiben dadurch nicht mindern lässt. Durch das Remastern ist der Sound zudem drückender und etwas voller, zwischendurch aber auch mal ein wenig blechern. Insgesamt hat die Frischzellenkur dem Gesamtbild des Albums sehr gut getan.
Somit fällt nun der Blick auf das Bonus Material, in erster Instanz also auf den unveröffentlichten Song “Piss“. Am Anfang erinnert er noch leicht an “Cowboys From Hell“, knallt dann aber ein gutes Stück mehr, wenn auch schleppender im Fortlauf. Er hätte sich gut im Gefüge des Albums wiedergefunden, fällt isoliert aber nicht weiter auf. Bleibt noch die Bonus DVD wo insbesondere der Festivalauftritt aus Italien, datiert auf den September 1992, im Zentrum steht. Anfangs ist man erschrocken über die grauenhafte Abmischung (viel zu laute Drums, sehr schwache Gitarre, quasi kein Bass), was sich aber ab dem zweiten Song zumindest langsam anfängt einzupendeln. Neben der kurzen aber knackigen Setlist sorgt auch so manche lustige Szene für Erheiterung, wie z.B. der asiatische Fotograf, welcher von Anselmo auf die Bühne hochgezogen wird, um die Meute von Zuschauern abzulichten. Natürlich ist es auch eine einzige Wonne den vor fast acht Jahren verstorbenen „Dimebag“ Darrell den Sechssaiter mit Freude und Spielwitz schwingen zu sehen. Überhaupt stimmt die Chemie zwischen Band und Fans und wenn man es nicht wüsste (oder anhand von einigen Haarschnitten vermuten würde) käme nicht der Gedanke auf, eine fast zwanzig Jahre alte Performance zu sehen. Zu sehr sind PANTERA’s musikalische Erben auf jedem heutigen, härteren Festival vertreten. Die drei offiziellen Musikvideos der Scheibe befinden sich ebenfalls in guter Qualität auf der Bonus DVD.
An der Klasse der Songs hat sich auch an heutigen Standards gemessen nichts geändert, was einmal mehr für die Besonderheit dieses Albums spricht. Zusätzlich liefert die Bonus DVD speziell für Fans und Nostalgiker ein sehr lohnenswertes Bonbon, welches dem Vermächtnis dieser Platte die extra Prise Besonderheit verleiht. Jeder Fan der härteren Gangart, der es noch nicht kennt, sollte sich dieses Album unbedingt zu Gemüte führen.
Tracklist:
CD
1. Mouth For War
2. A New Level
3. Walk
4. Fucking Hostile
5. This Love
6. Rise
7. No Good (Attack The Radical)
8. Live In A Hole
9. Regular People (Conceit)
10. By Demons Be Driven
11. Hollow
Bonus Track
12. Piss
DVD
Live In Italy
1. Mouth For War
2. Domination/Hollow
3. Rise
4. This Love
5. Cowboys From Hell
The Videos
6. Mouth For War
7. This Love
8. Walk