Herantasten, den ersten Kontakt erzwingen, zart und langsam die Finger ausstrecken. Nicht mehr weit und es sollte etwas zu spüren, zu empfinden sein. Das Gelenk des Zeigefingers knickt ein und zuckt zurück. Die Haar recken sich peu á peu, wie als wären sie Dominosteine, in die Luft. Irgendwie kalt und unnahbar gebiert sich das Gegenüber und dennoch distanziert man sich nicht vollständig. Es will es nicht leicht machen und doch zeigen das mehr hinter dieser großen Fassade steckt.
Was zum Teufel ist eigentlich Klassik. Muss es zwingend ein Orchester sein. Muss es zwingend mit durchgeknallten Persönlichkeiten als Dirigenten zu tun haben. Ist es den diversen Feuilletons unserer papierenen Nachrichtenwelt vorbehalten darüber zu urteilen, oder ist es doch nur abgeschmackte Massenunterhaltung für die sogenannte Elite, die Bourgeoisie. Genauso wie der Begriff Independent oder jegliche anderen kategorisierenden Wörter, ist auch die Klassik durchlässiger und nicht mehr ganz greifbar geworden.
Eine große Schattenwand türmt sich auf. Jegliche Chancen vertan, wieso noch Sinn im Unsinn suchen. Indes bröckelt das atonale Rauschen langsam in sich zusammen und es entsteht etwas woran man nicht mehr zu träumen dachte. Eine sich wiederholende Melodie schwirrt durch den Kopf und entspannt die Muskeln. Es bleibt dennoch ein ambivalentes Verhalten. Schiefe Untertöne hatten sich bereits eingeschlichen. Alles versandet um im nächsten Moment nur noch angriffslustiger zurückzukehren.
Die Wand der Klassik ist durch diese Durchlässigkeit löchrig geworden und es weht frische Luft in die angestaubten Räume. Erased Tapes versucht deren habhaft zu werden. Bereits früher im Jahr veröffentlichte das Label mit Olafur Arnalds fünftem Album (EPs und Soundtrack mitgezählt) ein von der Form her konzeptuelles, aber in der Ausführung freies und spannendes Stück Musik. Nun kommt PETER BRODERICK mit einem ebenso strukturgebenden Überbau, welcher indes stringenter ist als bei seinem Labelkollegen. Der Songreigen ist in zwei Teile gesplittete, wobei gerade der erste Teil, schon allein an Hand der Titel, eine klare Linie vorgibt.
Auch die Angriffslust verschwindet so schnell, wie sie gekommen war. Mehr ein Schock, ein Erschrecken, als wahre Aggressivität. Die Gestalt, das Etwas wirkt nun mehr verletzt, erschöpft und traurig, wendet sich ab. Zurück bleibt ein ungutes Gefühl im Hals, welches sich langsam hinab gen Eingeweide ausbreitet. Nur langsam trottet das Es Richtung Pfad der Genesung. Man will nicht wirklich daran glauben. Das seltsame metallisch und künstlich schmeckende Gefühl bleibt.
Ruhig und gemächlich taucht man in die musikalische Welt von PETER BRODERICK ein. Die Langsamkeit wird zum Arbeitsethos ausgerufen. Die Hände schleichen über das Klavier und Geigen verhallen in der Unendlichkeit. Geduld ist eine wertvolle Tugend, doch leichter zugänglich macht das alles Music For Contemporary Dance nicht. Wer sich durch den ersten herausfordernden aber auch nicht durchgehend zwingenden Teil des Albums gekämpft hat, wird mit dem zweiten Teil belohnt. Akkordeon, Glockenspiel, leichtes Schlagwerk und gezielt eingesetzte Elektronik bereichern das Instrumentarium. Der Zugang wird leichter und man denkt des Öfteren an Olafur Arnalds. Diese vier Stücke kurz und knackig als EP veröffentlicht, wäre grandios gewesen. Nur stehen ihnen hier noch sieben andere voran, von denen ich nicht genau weiß was ich von ihnen halten soll. Mutig, spannend und fordernd sind sie definitiv, aber ob sie auch so zwingend finde wie bisher gehörtes vermag ich nicht zu sagen. Was bleibt ist ein ambivalentes Gefühl.
Tracklist:
Part 1: An Introduction To The Patient
Part 2: Patient Observation
Part 3: Pill Induced Slumber
Part 4: The Dream
Part 5: Awaken/Panic/Restraint
Part 6: Electroconvulsive Shock
Part 7: The Path To Recovery
Part 1: Discovery
Part 2: Understanding
Part 3: Differences
Part 4: Disappearance