Plattenkritik

Philipp Poisel - Bis nach Toulouse

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Release Date: 27.08.2010
Datum Review: 05.08.2010

Philipp Poisel - Bis nach Toulouse

 

 

Es gibt Platten die tauchen im Leben auf, die passen wie Arsch auf Pott, wie Faust auf Auge. Dann schepperts mal ordentlich und die derzeitige Lebensphase wird mit Textmarker dick angestichen, mit Edding fetter unterstrichen und am Textrand prangen mit Bleistift am fettesten die Ausrufezeichen und für alle paar Jahre durchlebt man beim Hören eben jener Platten die selben Emotionen. Alle paar Jahre ändert sich was, bricht man aus alt gewohnten Mustern auf und macht sich auf zu neuen Ufern. Es könnte eine solche wechselhafte Lebensphase sein, die auch Philipp Poisel unterstreichen und mit Ausrufezeichen versehen will.

Philipp Poisel will nach Toulouse aufbrechen, ein bisschen flüchten und ist trotz des Fluchtgedanken keineswegs born to lose. Hier steht ein Münsteraner auf der Gewinnerseite und machts der deutschen Singer/Songwriterszene mal ein bisschen warm unterm Hintern. Mukkelig warm und es perlt. Hymnen auf die Liebe, in denen man lange nach Pathos kramen möchte und ihn doch nicht wirklich findet. Songs voller verliebter Details. Sowohl in Text als in Musik. Handgetrommel, Cello, Trompete, Glockenspiel perfekt perlend eingesetzt. Denn das tut der gute Philipp: Lieben.

Zuckersüß rinnt der Sound, die Texte jagen einem kalte Schauer den Rücken herunter und wieder herauf. Er will dabei sein, wir wollen alle dabei sein auf dem Weg zu neuen Ufern. Kisten packen, neue Liebe, das Auto volltanken und losdüsen, Flugtickets buchen oder ein Erdbeereis in den Sonnenstrahlen zwischen zwei Schauern genießen, die unaussprechlichen Wünsche einfach mal formulieren, ein Mittagsschläfchen machen. Erfolge nicht wie dicke Orden vor sich hertragen, sondern leise wahrnehmen und das leise Lächeln darüber weiterverschenken. Voller Optimismus und Zuversicht und selbst wenn etwas am Ende ist, die guten Dinge herausstellen und das Beendete nicht in bösen Nichtigkeiten ertränken. So macht das der Herr Poisel und rückt einem den ganz lieb und freundlich Kopf zurecht. Ja, es geht darum die kleinen Dinge im Leben zu erkennen und wertzuschätzen, wo man zu oft schon die großen übersieht. So kann auch ein Ende leicht über die Lippen kommen und besungen werden. Und auch wenn MARKT UND FLUSS sehr nach Kristofer Åström klingt, bei Weitem nicht ansatzweise so deprimiert. Und diese Platte ist auch keineswegs schleimig oder von Überpositivismus geprägt. Es ist wie es ist.

Die ein oder andere Träne verdrückt man sich dann doch, aber es gibt mehr Gründe, die zum Weinen sind als Trauer über Vergangenes. Einfach mal umgehauen von der Schönheit der Dinge, der unglaublichen Leichtigkeit des Seins, auch wenn es manchmal schwerfällt und die Welt in sich zusammenzufallen scheint. So etwas ist nicht immer schön, aber es könnte schlimmer sein. Seufzend. Eine Platte voller Sonnenseite und kaum Schatten. Wenn dann höchstens ein bisschen Halbschatten. Ohne Wenn und Aber. Wie schön! Hand auf Arsch und Pott auf Auge....

Tracklist:
1.Wie soll ein Mensch das ertragen
2.Für keine Kohle dieser Welt
3.Im Garten von Gettys
4.Froh dabei zu sein
5.Bis nach Toulouse
6.Zünde alle Feuer
7.All die Jahre
8.Markt und Fluss
9.Zwischen innen und außen
10.Liebe meines Lebensphase
11.Hab keine Angst
12.Ich will nur (live)

Autor

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Jule

Autoren Bio

wäre gern teil einer postfeministischen emopunkband/ verbalprimatin/ kuchenveganerin/ ich kann mir keine songtitel merken, selbst die meiner lieblingssongs vergesse ich.../ ich bin nicht betrunken, ich bin immer so/ fraujule.blogspot.de