Plattenkritik

Phillip Boa & The Voodooclub - Faking To Blend In

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Info

Release Date: 03.08.2007
Datum Review: 30.06.2007

Phillip Boa & The Voodooclub - Faking To Blend In

 

 

Wo bleibt mein grande Finale? Dass die Musikindustrie in einer Krise feststeckt, dürfte hinlänglich bekannt sein. Dass dafür äußerst krude Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, ist auch nur ein offenes Geheimnis. Die Überwachung von nervösen Journalisten bei Pre-Listening Sessions gehört zum Standard. Fantasievoller sind da schon Wasserzeichen oder 99-Track CDs, damit auch keine Sekunde Material in die abgrundtief bösen Tauschbörsen geleakt wird. Das passiert nun leider (?) trotzdem. PHILIP BOA & THE VOODOCLUB treiben es in dieser höchstens Unbequemlichkeit erzeugenden Disziplin zur olympischen Höchstform: Die einzelnen Songs erfahren gegen Ende ein trauriges Fade-Out. Für den Titeltrack wird ein anregendes„grande Finale“ mit „ultradramatischem Piano“ versprochen.
Aber Pustekuchen, das gibt’s nicht. Ich will ein grande Finale haben, keinen Fade-Out alá Stromausfall.

Aber jetzt vielleicht auch mal etwas Relevantes zu „Faking To Blend In“. Boa an sich muss man eigentlich nicht mehr groß vorstellen. Er ist der Mann, der mit tatkräftiger Unterstützung von Pia Lund seit den 80ern hochkarätigen Avantgarde-Rock veröffentlicht, der sich im internationalen Vergleich auch vor Bowie, Ferry und Bolan nicht verstecken braucht und ist damit wohl einer der wenigen deutschen Indie-Exporte. Neben großartigen Alben waren natürlich auch einige Hänger dabei, „Faking To Blend In“ will sich da nicht ganz recht entscheide, ist auf den ersten Blick geradezu enttäuschend.

Dann aber fällt auf, dass die Tatsache, dass Song nach Song vergeht und nichts zwingendes bleibt, auf der Distanziertheit Boa’s beruht, der mit seinem düsteren Anti-Gesang an den Geist der letzten Weihnacht erinnert. Nicht mehr, nicht weniger. Pia Lund, die sinister mit einer bedrohlich-kindlichen Stimme singt, verbreitet Schauer erst, wenn man sich auf sie einlässt, ihr zuhört. Und dann kommt die Erkenntnis, was hinter der Distanz steckt: Einsamkeit, Sinnsuche. Holprige Rhythmen humpeln und krude Soundeffekte verdichten sich zu einer Wall of Sound, die, wenn sie zusammenbricht, ein Gefühl hinterlässt, wie nach einem Tritt in den Magen.

Musikalisch gibt es ein wildes Potpourri aus Pop und New Wave, Indie und Elektro, mit 80s Beats in „Girl Is A Runner“ oder nach vorne drängelnden Gitarren mit durchdrehenden Drums in „You Hurt Me“. Teils sehr INTERPOL lastige New Wave Strukturen zerbrechen an der großen Melancholie, die freilich nur per Understatement rüberkommt.

„Faking To Blend In“ ist vielleicht nicht Boa’s bestes Album, aber eines seiner vielseitigsten, vielleicht Verspieltesten, was wohl auch zum großen Teil an dem so gar nicht legendären Produzenten Tobias Siebert liegen mag, den man vielleicht noch von KLEZ.E kennen sollte und der Boa hoffentlich noch ein grande Finale bescheren wird.



1. On Tuesdays I’m Not As Young
2. Girl Is A Runner
3. Faking To Blend In
4. Drinking And Belonging To The Sea
5. Emma
6. You Are A Parasite But I Love You
7. Queen Day
8. You Hurt Me
9. Sleep A Lifetime
10. Collective Dandyism
11. In Todays Parties
12. How Much Can You Swallow
13. The Night Before The Last Was Saturday Night

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Dennis

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