Der Deutschrap Newcomer des Jahres heißt QWER. Doch was heißt hier Newcomer, wenn der Herr auf Releases bis ins Jahr 2004 zurückblicken kann? Dann eben: Viel zu wenig beachteter MC – und gemessen an seinem neusten Eisen hoffentlich nicht auch in diesem Jahr. Gemeinsam mit Labelmate und Workaholic MISANTHROP ist da mit „Der Zukunftsmensch“ ein (Konzept-)Album entstanden, das selbst für Postrap-Maßstäbe völlig frisch und besonders wirkt. Geschuldet ist dies in erster Linie seinem schon nach kurzer Zeit unverkennbareren Flow, der vor allem Assoziationen irgendwo zwischen EIßFELDT, TAKTLOSS und RETROGOTT zulässt. Besonders ist an ihm diese gewisse Atemlosigkeit, die er in so gekonnt runtergespitteten Songs wie „Adlerlass“ oder „Für unsere Kultur“ an den Tag legt. Noch mehr als seine mittlerweile doch zahlreich gewordenen reimlosen Kollegen schafft es QWER, diese Art des Raps ästhetisch und nicht zuletzt natürlich klingen zu lassen, sodass selbst schnellste Passagen nicht oder wenn dann eben bewusst abgehackt klingen. Doch auch abseits hoher Tempi zeigt sich QWER dynamisch, reich an fabelhaften Wortspielen und eben qualitativ over the top.
Eine Verbeugung geht allerdings auch gen MISANTHROP, der noch mehr als sonst beattechnisch voll ins Schwarze getroffen hat. Wunderbar vor allem: Das boom-bapige „Der Android“ (mit einem grandiosen Feature!), das unruhige „Zeitzeugen“ und das im eigentlich eher düsteren Kontext sehr ungewöhnlich jazzige „Für unsere Kultur“, das fast schon als eine Art Party-Track durchgeht. Ob man das auf einer so eigentlich recht ernst gemeinten Platte hören will? Nun ja: Die beiden scheinen sich nicht an das dystopische Konzept des „Zukunftsmenschen“ (zu dem ich abseits des selbsterklärenden Namens nicht mehr sagen möchte) fest zu nageln, und lassen neben Ausflügen wie auf „Für unsere Kultur“ auch anderes, beispielsweise persönlich anmutendes zu. Und solange die Qualität stimmt (was ja der Fall ist), kann man sowas durchaus durchgehen lassen.
Oder gehört das alles doch irgendwie zusammen? Schwer zu sagen, „Der Zukunftsmensch“ pendelt stets zwischen klaren und kryptischen Aussagen hin und her. Eigentlich aber egal, wenn QWER und MISANTHROP in den entsprechenden Momenten trotzdem Atmosphäre erzeugen und packen, und auch bei sämtlichen Abstechern ins Abseits zu unterhalten wissen. Im Grunde genommen also doch eine sehr runde Angelegenheit, mit der aktuellen MORLOCKK DILEMMA vielleicht sogar hip-hop-technisch die spannendste in diesem Jahr.
Tracklist:
1. Aderlass
2. Trost und Schatten
3. Der Android
4. Zeitzeugen
5. Für unsere Kultur
6. Landstreicher
7. Pech abwendbar
8. Der Zukunftsmensch
9. Meine Welt
10. Keine Prophezeihung