Sollte man von einer Band wie RAGE, die seit 35 Jahren quasi ohne Unterbrechungen aktiv ist und somit fraglos zu den Institutionen der deutschen Metal-Landschaft gehört auf Album Nummer 24 noch großartige Überraschungen erwarten? Nicht wirklich, zumal Peter "Peavy" Wagner mit seinen wechselnden Begleitmannschaften ja durchaus über die Jahre seine Fühler in verschiedene Richtungen ausgestreckt hat und sich die RAGE-Diskographie zwischen thrashigem Speed Metal, Power Metal und tendenziell eher hardrockigen Klängen daher ohnehin ziemlich vielfältig gestatltet. Nicht zu vergessen die legendäre Zusammenarbeit mit den Prager Symphonikern auf "Lingua Mortis", mit der RAGE noch Jahre bevor METALLICA mit "S&M" durch die Decke gingen Pionierarbeit in Sachen "Metal trifft Klassik" geleistet haben. Kurzum, Peavy Wagner muss heute eigentlich niemandem mehr etwas beweisen.
Umso erfreulicher, dass "Wings Of Rage" ein verdammt starkes Album geworden ist, mit dessen Frische und Power zumindest ich nach dem etwas hüftlahmen "Seasons Of The Black" nicht gerechnet hatte. Dabei sollte man wie gesagt natürlich trotzdem keine großen Überraschungen erwarten, vielmehr gestaltet sich die neue Scheibe als eine Art Werkschau, auf der Peavy und seine Spießgesellen der Stunde die stilistischen Entwicklungen und Wandlungen von RAGE gekonnt auf einem Album zusammenfassen. Thrash-lastige, teils speedige Stücke wie "Let Them Rest In Piece", der Titeltrack, "Blame It On The Truth" und natürlich die Neuaufnahme des Bandklassikers "Higher Than The Sky" (hier HTTS 2.0) geben sich mit flotten Power-Metal-Hymnen der Marke "Chasing The Twilight Zone"," Tomorrow" und "Don't Let Me Down" die Klinke in die Hand.
Für "A Nameless Grave" und die zum Glück weitestgehend unkitschige Halbballade "Shine A Light" haben der stämmige Herner und seine Crew sogar noch mal das Orchester ausgepackt und schließen den Kreis zu "Lingua Mortis" und "XIII". Ein Ritt durch sämtliche Phasen den Bandgeschichte hätte natürlich auch schnell in einem zusammenhanglosen Allerlei enden können, RAGE schaffen es aber, die einzelnen Puzzleteile zu einem homogen fließenden Album zusammenzufügen. Über allem thront natürlich wie immer der markante, angenehm raue Gesang von Peavy und mit einer druckvollen, modernen, jedoch nicht sterilen Produktion ist das Kind schließlich auch an der Klangfront in trockenen Tüchern.
Was soll man noch weiter sagen, mit "Wings Of Rage" haben RAGE ihre stärkste Scheibe seit langem abgeliefert und Herr Wagner beweist, dass mit ihm definitiv noch zu rechnen ist. Die gesunde Härte der Scheibe dürfte zunächst besonders Fans in Verzückung bringen, für die "Black In Mind" das Nonplusultra ist; durch die gebotene Vielfalt kommen aber im Grunde Freunde sämtlicher RAGE-Phasen auf ihre Kosten.