Hardcore heisst wieder destroyen, killen und exterminaten. Wo steckte bloß der Geist, worin suhlten sich die Neider, wo lauerten siebzehn lange Jahre lang jene, die die Ersten mit Vorwürfen und Richtigstellungswahn sein wollten? Jetzt sorgen REFUSED für "Freedom". Das kommt Allen zu Gute. Denn Ruhe im Karton ist noch lange nicht und wahrscheinlich nie. Der Aufgabenverteilung unter allen Involvierten nehmen sich Dennis Lyxzen, David Sandström, Magnus Flagge und Kristofer Steen aber nicht alleine an.
Hardcore hiess allerdings auch noch nie REFUSED. Darauf legen die Schweden wert. Sollten sie auch. Denn wie einfach liessen sich flache Parallelen schustern - etwa zu den hackenden Gitarrenlicks und der nervösen Snare, die "Elektra" zu Beginn allen "New Noise"-Jüngern auf den Schoss legt. "Nothing has changed. The time has come. There´s no escape." brodelt es doppeldeutig aus Lyxzéns Kehle. Dazu mischen eindeutig REFUSED auf. Der Opener klingt clever und massiv zugleich. Ist "Freedom" zu logisch und bloss Alibi für noch mehr hoch dotierte Festivalshows? Chaos und Parolen, ein vertrackter Strophenteil und der abgepisste Chorus sind mehr als stumpfe Tagesordnung. “Old Friends / New War” bietet zunächst einen industriellen Marsch-Beat zur Akustikgitarre und Talkbox, unter beinahe synthetischen Frauenchören beginnt im Anschluss "Dawkins Christ". Bekannt ist, das kein Zeiger im Universum von Lyxzén und Co. stillstehen darf. So verkneten die Skandinavier extravaganten Groove, Kinderchöre und Funk-Pop zum kritischen “Françafrique”, während mindestens alle klassischen REFUSED-Merkmale bei "Destroy The Man" vorbeischauen. Wirkliche Hinter- oder Beweggründe für die Zusammenarbeit mit Formatradio-Mastermind Shellback (u.a. TAYLOR SWIFT, MAROON 5, PINK) bei den Tracks "366" und "Elektra" werden nicht deutlich: Hier sind REFUSED inmitten ihres Elements aus (Post-)Hardcore, Protest und Schmackes, das sich nicht auf den markanten Keifgesang Lyxzéns beschränkt. "Freedom" wird sich nicht nur an seinem musikalischen und inhaltlichen Pfund messen müssen. Spielte die Band aus Umea auf einmal über 80 statt nur der einen Coachella-Reunionshow, floss zu und nach "The Shape Of Punk To Come" seiner Zeit stets die laute Kritik an Kapitalismus und Ungerechtigkeit in Gesprächen mit den Musikern, so lodert auf dem vierten Album des Quartetts nicht nur ein neuer Gitarrist, ein pompöses Bläserensemble oder ein flüssiges und mit “Servants Of Death” eindeutig betiteltes Dance-Core-Gerippe. Vor allem lodern hier wieder REFUSED.
"Freedom" wird schnell zu einer spannenden Reise. Ein Trip durch Genres und Wagnisse, durch Stimmungen und bekannte Wurzeln. Das war in noch rücksichtsloserer Form auch "The Shape Of Punk To Come". Siebzehn Jahre später servieren REFUSED ein selbstbewusstes Album, welches sich nicht einschüchtern oder in einzelne Richtungen lenken lässt. Ergo: REFUSED machen weiter wonach ihnen der Sinn steht: Pop, Rap, Indierock, ein sechseinhalbminütiges Finale zwischen Kinderlied- Melancholie und wütender Theatralik. Vorbei an Energydrinkherstellern und Arenabühnen ist es Sandström, Steen, Lyxzén und Flagg gelungen, ihre teils jahrealten Songentwürfe auf das neue Jahrtausend zu trimmen. Soviel "Freedom" ist vielleicht nicht "Hardcore" und noch weniger selbstverständlich - im Hause REFUSED 2.0 eben aber nun mal mehr als stumpfe Tagesordnung.