Zunächst die Frage, welche Tatsache den Betrachter zu Beginn des neuen Jahres überraschender trifft: a) die Wäsche auf dem Balkon trocknet im Sommer schneller. Oder aber b) REVEREND HORTON HEAT veröffentlichen ein neues Album, welches eindeutig und zweifelsfrei wie das neue Album von REVEREND HORTON HEAT klingt. Fünfundzwanzig Sekunden dauert es - und die Einsätze stehen.
Als Option c) bleibt anzumerken, dass die Granitblöcke des "modernen" Rockabilly mit Victory Records nicht unbedingt das naheliegendste Zuhause für ihre elfte LP gefunden haben. Überraschungen und Innovationen stehen der wackeligen Beziehung jedoch nicht im Weg. "Victory Lap" (etwa ein Augenzwinkern?) eröffnet wild trottend, Griffbretter reitend, schnaubend und instrumental, bevor "Smell Of Gasoline" sich eigentlich auch über seinen bloßen Titel definieren könnte. Von den punktgenauen Kontrabassattacken sind ebenso wenige Partikel dem Highway zum Opfer gefallen wie von den treuen Gretsch-Riffs, die noch zu "Liquor In The Front"-Zeiten doch gehörig mehr Pfeffer und Aufmüpfigkeit boten.
Klar gibt es die typische Psycho-Surf-Grimasse ("Zombie Dumb"), den melodischen Hispeed-Klopper ("Scenery Going By") und den klassischen Rebellen-Boogie ("Hardscrabble Woman") mit der Hand auf der Hüfte der bestfrisierten Lady im Raum. Wer braucht schon fünfundzwanzig Jahre Training als Aushängeschild? Noch immer hat das Trio aus Texas leichtes Spiel auf dem selbst- oder zumindest mitkreierten Schlachtfeld, jedoch klingt "Rev" nach den ersten Durchläufen, als hätten REVEREND HORTON HEAT für die dreizehn neuen Songs weder zuviel Schweiß noch Momentum gelassen.
"Never Gonna Stop It" druckst nicht bloss inhaltlich auf der Stelle, und gerade der "Reverend" himself Jim Heath war früher deutlich humorvoller als jetzt durch das Dampframmen-Techtelmechtel "Teach You How To Eat" angeschoben. Musikalisch sind die drei den 50er Jahren verschworenen Herren mit sich und der Welt im reinen - so richtig anspringen und rumröhren will der Motor trotz aller Authentizi- und Qualität trotzdem allenfalls in Momenten wie dem tollwütigen "Spooky Boots", bei dem unterm Strich die besten Momente von REVEREND HORTON HEAT summiert werden: aufgekratzte Arbeit an den Saiten und viel Rock'n'Roll in der markanten Stimme, dazu das oft hyperaktive Zwinkern Heaths. "Rev" allerdings suhlt sich in seiner Gesamtheit eher im Mittelfeld und erinnert an eine vernachlässigte Luftmatratze: je nach Gewicht on top kann ein Untergehen irgendwann nicht mehr verhindert werden. Hoffentlich finden REVEREND HORTON HEAT vorher das Ventil.
Trackliste:
01. Victory Lap
02. Smell Of Gasoline
03. Never Gonna Stop It
04. Zombie Dumb
05. Spooky Boots
06. Schizoid
07. Scenery Going By
08. My Hat
09. Let Me Teach You How To Eat
10. Mad, Mad Heart
11. Longest Gonest Man
12. Hardscrabble Woman
13. Chasing Rainbows