Dass Hardcore und Absperrungen im neuen Jahrtausend schon längst vereinbar sind, zeigt sich ja jedes Jahr zu genüge. Ob in der Festivalsaison oder auf Touren wie der Persistence oder der Hell on Earth Tour: Das Familiaritätsgefühl schwindet und das dicke Geld fließt. Dabei profitieren die Veranstalter natürlich von der Tatsache, dass die Lineups sowohl Fans aus dem Hardcore- als auch aus dem Metallager ansprechen. Möglich machen das Bands wie HATEBREED und TERROR. Aber auch die haben mal klein anfangen. Um dann später auf ihrer Reise Richtung Hardcore-Thron sicherlich einige hunderte Bands in ihrem Schaffen zu inspirieren.
RISE FROM ABOVE , 4 Jungs aus Rostock, können das wohl so bestätigen. Mit „Phoenix“ liefern sie nach einer Demo im Jahre 2008 jetzt ein erstes Album und nachdem schon über 50 Shows mit namhaften Bands gezockt wurden und man sich auf der deutschen Hardcore-Landkarte markiert hat, hofft man nun natürlich auf eine wachsende Bekanntheit. A propos namhaft, gemixt und gemastert wurde das Ganze übrigens von Alexander Dietz (Gitarrist bei Heaven Shall Burn). Wenn das mal kein Namedropping ist.
Die Band macht einen soliden Job. So läuft die Scheibe ohne peinliche Momente durch, das Riffing und das Songwriting gestalten sich gekonnt und tight. Man beweist, dass man ein unheimliches Tempo beherrscht und ganz schön Dampf machen kann. Doch es gibt auch langsamere Passagen, die den Songs die nötige Würze geben. Es steht total außer Frage, dass RISE FROM ABOVE schon so manchen Moshpit in Fahrt gebracht haben, denn die Breakdowndichte auf „Phoenix“ ist immens. Das ausgereifte Organ des Sängers wird hier und da durch einige Crewshouts ergänzt, sodass sich im Gesamtbild ein kompromisslos kompakter Sound ergibt, der eigentlich die meisten Besucher der eingangs genannten Tourpackages zufrieden stellen dürfte. Eigentlich.
Was mir an der Platte nicht gefällt, ist: Sie ist nur solide. Sie fordert nicht heraus. In keinster Weise. Viel zu sehr erscheint das Alles sowohl musikalisch als auch lyrisch von den Großen abgeguckt. So habe ich bereits beim 3. Song schon gar nichts mehr erwartet, das mich großartig überrascht. Von wegen! Denn als der 4. Song „New Era“ anfängt (THIS – IS – THE NEW – ERA!!) , denkt man sicherlich eher an ein BORN FROM PAIN-Livealbum als an das Debütalbum einer aufstrebenden Hardcore-Band. Das ist eine Sache, die man eigentlich so nicht bringen sollte. Doch damit nicht genug, man benennt Songs „Never Let Me Sink“ und „We are the Underdogs“ (Hallo TERROR!) und zitiert auch in den Texten (die sprachlich auch alles andere als auf hohem Niveau sind) viel zu oft Passagen, die man schonmal woanders gelesen hat. Alles in Allem erinnert der Sound von RISE FROM ABOVE zudem sehr stark an FINAL PRAYER, die ihren Job allerdings etwas eigenständiger machen.
Ein anderer Punkt, der für mich schwer verdaulich ist, ist dieses ewige Trueness-Gehabe in den Texten. So z.B. in „Best of Times“: you know me shit call yourself my fella – sing a long at our hardcore shows – your moves are cool but you don’t feel em fool – your shirt says Madball but you know nothing bout N.Y. Style – this scene is not for you. Im Song „New Era“ geht es offensichtlicherweise um einen Ausspruch gegen Rassismus. Dabei erwähnt man auch den Wunsch nach einer Gesellschaft, die tolerant und offen ist (we must move on - build a community of peace and of justice - in a society with heart and an open mind - in a world - with no hate - there ain’t no fear.). Wäre dieses Statement nicht wesentlich glaubhafter, wenn man sich nicht in ungefähr der Hälfte der Songs damit profiliert, dass man versteht, worum es beim Hardcore geht und seine Daseinsberechtigung heraus brüllt? Das zeugt ganz und gar nicht von Open-Mindedness. Und wenn man Forderungen stellt, sollte man doch bei sich selbst erstmal anfangen.
Ich verstehe die Wut auf „Trendkiddies“ definitiv, ich habe auch wenig Lust auf Menschen, die sich erst zu einer Hardcore-Band dessen Texte sie nicht kennen die Seele aus dem Leib moshen und dann danach in die Disko gehen. Ich habe auch mehr Lust auf Menschen, die einen Bezug zu dem aufbauen können, was sie da machen und eventuell auch einen Beitrag zur Szene leisten. Aber das Problem wird sich nicht lösen, wenn man darüber textet. Es wird sich nie lösen. Ist ja logisch, die untruen Kids lesen doch eh keine Texte, wie wollt ihr die denn bitte erreichen? Und es wird auch nie aufgehört werden, darüber zu diskutieren. Wer hat welches Shirt an? Wer war auf welcher Show? Wer ist seit wann dabei? Kann X die Texte von Band Y oder steht er nur vorne um auf den Fotos zu sein? Enge Hose oder weite Hose? Gar keine Hose?
Folgende Frage kommt auf: Wer seid ihr, dass ihr über Andere, in euren Augen Schlechtere urteilen könnt?
Zusammenfassend wird mir der Name RISE FROM ABOVE also sicherlich in meinem Hinterkopf bleiben und ich schaue mir die Rostocker bei Gelegenheit auch gerne mal live an. Um sich dauerhaft in meiner Playlist zu halten, fehlt „Phoenix“ aber ganz klar die Ideenvielfalt.
Tracklist:
01. Intro
02. Best of Times
03. Idolized World
04. New Era
05. Never Let Me Sink
06. John Otto
07. We are the Underdogs
08. Until the End
09. On a Warpath 2k10
10. DI.T.