Plattenkritik

SCHRENG SCHRENG & LA LA - Projekt 82

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 26.03.2021
Datum Review: 23.03.2021
Format: CD Vinyl Digital

Tracklist

 

01. Projekt 82
02. Fremder Mutter Zwilling
03. Du kaputt, Ich kaputt
04. Alukappenspacken
05. 1 Shanty gegen doof
06. Gesichtsmuskelzerrung
07. Ernährungsberatung
08. Denken & Danken
09. Summer
10. Bremse
11. Platzwunde
12. Freundin

Band Mitglieder

 

Jörkk Mechenbier – Vocals
Lasse Paulus – Gitarre

SCHRENG SCHRENG & LA LA - Projekt 82

 

 

Im Gegensatz vereint: SCHRENG SCHRENG & LA LA, Anwalt & Esel, Familienvater & Freigeist. Oder: Zwei mit Herz und Hirn im Kampf gegen all den Schwachsinn da draußen. Das dritte Album des Akustikpunkduos ist erheiternd, warmherzig, kritisch und vor allem: nötig.

Mehr Phänomen als Projekt: Jörkk (Mechenbier, Gesang) und Lasse (Paulus, Gitarre u.ä.) sind nun schon seit 14 Jahren SCHRENG SCHRENG & LA LA und allein deshalb schon als Jörkks Hauptband zu verstehen, denn LOVE A und TRIXSI betraten erst später die Bildfläche. So ist auch der Albumtitel eine klare Kampfansage an Letztere, stieg das TRIXSI-Album „Frau Gott“ im letzten Jahr doch tatsächlich auf Platz 83 der deutschen Charts. Eine gewagte Ansage, aber Ernsthaftigkeit spielt ohnehin eine eher untergeordnete Rolle im Kosmos des ungleichen Duos. Und zwei Alben („Berlusconi“ aus 2011 und „Echtholzstandby“ aus 2016) lassen erstmal nicht auf überbordende Arbeitswut schließen, aber wer so denkt, hat das Konzept nicht verstanden: Man muss SCHRENG SCHRENG & LA LA erleben, am besten live, was sich in diesen Zeiten natürlich wie blanker Hohn liest, aber es ist ja, wie es ist. Die beiden spiel(t)en überall, solange es Bier und Schnaps gibt und wenn es sein muss, auch auf Damentoiletten, völlig egal, denn es geht um das große Ganze, die Wechselwirkung aus Jörkks Witz und Bühnenpräsenz, dem Fundament von Lasse an der Gitarre und dem Publikum, eigentlich sogar vor allem ums Publikum und um das Gemeinschaftserlebnis. Da das alles aber gefühlt in einer anderen, fernen Zeit liegt und bis auf absehbare Zeit wahlweise nostalgische Erinnerung oder Zukunftsmusik bleibt, muss jetzt eben Album Nummer drei herhalten. „Herhalten“ ist hier aber mindestens eine unverschämte Untertreibung, denn „Projekt 82“ ist ein über weite Strecken einnehmend schönes und manchmal auch intimes Album geworden, das den üblichen Klamauk und Quatsch bietet, mit dem man eben rechnen muss, wenn Jörkk irgendwo beteiligt ist, aber doch wesentlich tiefer geht: „Du kaputt, ich kaputt“ beispielsweise ist ein entwaffnend schönes Liebeslied mit Gänsehaut im Refrain, „Denken & Danken“ führt das fort und „Gesichtsmuskelzerrung“ ist als Ode an die Wirkung des Lächelns ebenso schön geraten. Die Gitarre spielt dazu warmherzige Akkordfolgen, meistens unverstärkt, manchmal leicht angezerrt, mehr braucht es oft nicht. Und doch gibt es auf „Projekt 82“ mehr zu hören: Sei es die Ukulele in der Anti-Selbstoptimierungshymne „Ernährungsberatung“ („Ich optimier mich am Buffet und Tresen / Das Trainieren überlass ich dir“) oder tatsächlich mal lauten, scheppernden Punk in „Alukappenspacken“, dem angefressenen Abgesang auf alle Hetzer, Schwurbler und Unmenschen, die plötzlich wieder die Straßen fluten und die so wichtige Demonstrationsfreiheit völlig ad absurdum führen. Es ist nicht leicht auszuhalten, wenn man im Herzen Punk ist, sich aber plötzlich auf der Seite der Vernünftigen wiederfindet. Von dieser kognitiven Dissonanz singt auch „1 Shanty gegen doof“ ein Lied: „Atomkraft, nein danke steht neben Sieg Heil / Und während Justitia weint / Schnitzt irgendwer fleißig weiter den Keil / Der dafür sorgt, dass die Gesellschaft zerfällt“ – es sind diese schmerzhaft treffenden Zeilen, diese punktgenauen Beobachtungen, die dieses Album so gut machen. Dass die Texte an nur einem Abend geschrieben und eingesungen worden sein sollen, kann man glauben oder nicht, es zeigt aber im besten Fall die Genialität des Duos, im schlimmsten Fall ist das eben der Situation geschuldet: Der eine in Düsseldorf, der andere in Hamburg, es hätten aber genauso gut auch Tokyo und Reykjavík sein können, dank der sich ständig ändernden Auflagen, die eine gemeinsame Studioarbeit unmöglich machten. Und doch wirkt das Album runder und musikalischer als die beiden Vorgänger. Die EP „Alles muss brennen“ von 2019 fungiert da als Bindeglied, von dem das eingängige „Bremse“ ja auch zurecht den Sprung auf „Projekt 82“ geschafft hat. Abgerundet wird alles durch zwei Coversongs: Das melancholische „Summer“ von BUFFALO TOM, ausnahmsweise von Lasse gesungen und „Freundin“, im Original von den AERONAUTEN, gewidmet deren verstorbenen Frontman Guz. Geschmack bewiesen, Integrität sowieso. Und wer weiß, vielleicht erkennen das genügend Menschen und sorgen dafür, dass das nächste Album „Projekt 3“ heißt.

Autor

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Daniel

Autoren Bio

Musikverliebt und reisefreudig, meistens nett und umgänglich, mit einer Gefühlspalette von "Live your heart and never follow" über "Hold Fast Hope" zu "I want to smash my face into that god damn radio / It may seem strange but these urges come and go"