SLIPKNOT können auf ihrem sechsten Studioalbum seit vielen Jahren endlich einmal wieder mit überzeugenden Momenten auffahren, aber primär in den Bereichen in denen die Band ihr sicheres Fahrwasser verlässt. Wagen wir aber zuerst einen kleinen Rückblick.
München im Dezember 1999: es war im altehrwürdigen Backstage eine neue, scheinbar ganz heisse Band angekündigt, die erst kürzlich ihr Debut-Album via Roadrunner Records veröffentlicht hatte. Der Eintrittspreis betrug schmale 13 EUR. Es handelte sich um SLIPKNOT, die an jenem sagenumwobenen Abend den Laden in Schutt und Asche legen sollten. Auf der Bühne stand eine Band, die vor Aggressivität und vor allem Energie strotzte und der es gelang sämtliche Zweifler, welche die Band aufgrund ihrer Masken als Gadget-Band belächelten, für sich zu gewinnen. Für den Autor dieses Reviews gehört dieses Konzert noch immer zu den Top 5 Shows seines Lebens. Zwanzig Jahre später ist die Historie von SLIPKNOT weitestgehend bekannt. Man spielt inzwischen weltweit in den größten Arenen und als Headliner auf den größten Festivals. Die Band hat zudem zahlreiche Alben veröffentlicht. Dazu gehört unter anderem das brutale und in jeder Hinsicht herausragende Album Nummer zwei, “Iowa”. Folgen sollte mit “Vol. 3” die Öffnung in Richtung mehr Melodie und Eingängigkeit und mit “All Hope Is Gone” das Album bei dem die Band sehr stark auf Nummer sicher ging. Die vorletzte Veröffentlichung “.5: The Grey Chapter” war schließlich ein sehr persönliches Album, welches vom Tod von Paul Grey beeinflusst war. Nun liegt mit “We Are Not Your Kind” das inzwischen sechste Werk der Band vor. Im Vorfeld der Platte wurden mit “Unsainted”, “Birth Of The Cruel” und “Solway Firth” drei Songs veröffentlicht und die Band spielte ein paar Shows auf einigen Festivals und Städten.
Das Album beginnt mit dem stimmungsvollen Intro “Insert Coin”, welches dann in den bereits ausgekoppelten Song “Unsainted” übergeht. Letzterer ist im Grunde genommen erzkonservative Slipknot Nummer, die niemanden überraschen dürfte. Es wird munter mit den für die Band typischen Stakkato-Grooves und melodischen Gesangslinien gespielt. In Summe ist “Unsainted” kein schlechter Song, aber auch kein Song, der für kreative Begeisterungsstürme sorgt. Das Gleich gilt für den Mid-Tempo Stampfer “Birth Of The Cruel”, der einerseits durch eine verstörende Atmosphäre glänzen kann aber aber nach ca. zwei Minuten kräftig an Luft verliert. “Death Because Of Death” ist ein Interlude mit einem Titel, der sich auf dem intellektuellen nicht-Level eines “if you’re 555 then I’m 666” befindet. Der folgende Track “Nero Forte” kann mit einem schönen uptempo-Groove überzeugen und lässt dabei viel der in der Band steckenden Klasse aufblitzen, vor allem die Kombination mit dem hochgepitchten Gesang im Refrain bildet einen schönen Kontrastpunkt. Leider folgt darauf mit “Critical Darling” ein Song, der vom anfänglichen Riffing her nicht uninspirierter sein könnte. Das Lied wird primär von einer Gitarrenarbeit aus dem Nu-Metal Baukasten, Kategorie 08/15, getrieben. Aber ab der Mitte nimmt das Lied aber zum Glück noch eine ziemlich spannende, atmosphärische Kehrtwendung, die zu den wirklichen Highlights der Platte führt: “A Liar’s Funeral” ist eine harmlos anfangende Ballade, die auch von Stone Sour sein könnte und die aber im weiteren Verlauf in Richtung einer vertonten Psychose ausartet. Hier haben SLIPKNOT all ihr Gespür für Stimmungen in die Waagschale geworfen und ein wirklich beklemmendes Werk geschaffen. Auf “Red Flag” zeigen die Mannen, dass sie auch noch immer Gas geben können. Dieser Song hätte auch auf dem unerreichten Meisterwerk ein gutes Bild abgegeben. “What’s Next” ist ein weiteres Interlude, welches zum echten kreativen Höhepunkt des Albums führt: “Spiders”. Dieser Song hat zahlreiche Anleihen aus dem Nine Inch Nails Backkatalog und eine Melodieführung, die man so durchaus auch bei den Queens Of The Stone Age finden könnte. Ja, das Ganze passt zudem noch sehr gut in den Kontext von SLIPKNOT. Auf dieser bedrückenden Stimmung baut die Band dann mit “Orphan” und “My Pain” weiter auf. Während Orphan noch einmal die Heavyness und die Geschwindigkeit hochzieht tritt “My Pain” wieder kräftig auf die Bremse und glänzt mit viel düsterer Atmosphäre der Marke “frühe Marilyn Manson”. Der vorletzte Song “Not Long For This World” fasst die kreativen Experimente dann wieder in den gewohnten Kontext der Band zusammen und dürfte damit so manche irritierte Fans wieder an die Hand nehmen und sie abholen. Slipknot glänzen hier mit einem sehr guten, wohl balancierten Songwriting. Das Album wird dann mit der soliden Uptempo Groove und Stampf Nummer “Solway Firth” abgeschlossen.
Zusammenfassend kann man mit Fug und Recht behaupten, dass sich SLIPKNOT auf “We Are Not Your Kind” viel Mühe gegeben haben und an einigen Stellen auch echten Mut zur Kreativität bewiesen haben. Das Album ist herausragend produziert und man hört, dass hier ein gehöriges Produktionsbudget dahinter stand. Gerade der eben erwähnte Mut zur Kreativität beschert der Platte Momente, welche die Band interessant machen. Gerade die Songs, an denen die Band aus ihrem Korsett ausbricht sind die echten Highlights: “Spiders” und “My Pain”. Die Stellen, an denen die Band voll auf Nummer sicher spielt, sind auf der anderen Seite die langweiligsten und beliebtesten Momente des Albums.