Realitätsverweigerer: SOMETIMES GO machen es sich einfach und tun so, als stünde der Kalender noch auf 1999 und Gießen läge in Wisconsin. Schamlos, aber sympathisch.
Da braucht sich 2020 nun auch wirklich nicht darüber wundern, dass die Menschen sich verstärkt in die Vergangenheit flüchten (2020, du Kackjahr!). Im Fall von SOMETIMES GO ist das eben die Zeit der Jahrtausendwende, als die alten Helden des Emo Genremeilensteine aneinanderreihten. Die großen Vorbilder heißen nach eigenem Bekunden HOT WATER MUSIC, JIMMY EAT WORLD und SMASHING PUMPKINS, ihr Retro-Emo klingt aber mehr nach THE PROMISE RING (in den flotten Momenten), SMALL BROWN BIKE (in den schweren, langsamen Stücken) oder THE APPLESEED CAST und AMERICAN FOOTBALL (wenn es filigran wird). Wer noch mehr Referenzen braucht, denkt sich noch ELLIOTT dazu und soll damit glücklich werden. Dass sie das Rad auf ihrem Debütalbum in keiner Weise neu erfinden, sondern nur den Sound ihrer Jugend nachahmen, daraus macht der Vierer im grundsympathischen Promotext keinen Hehl. Mit Anfang Vierzig rückt der Drang zur musikalischen Revolution eben etwas in den Hintergrund. Solange dabei so schwelgend-schöne Stücke wie „Hideout“ oder „Clover Mountain“ rumkommen, soll sich bitteschön niemand beschweren. Und mit Glanzstücken wie „Watch The Falls“, das zwischen leise perlender Träumerei und druckvollem Groove schwankt, kann man nur gewinnen. Aus dem Grund zieht „Promises We Made“ das Spiel ganz ähnlich auf und begeistert mit dem Wechselspiel aus schüchterner Gitarre und leisen Drums sowie kraftvoll-sehnendem Chorus. Dass Emo auch abseits von Laut/Leise-Dynamik funktioniert, wissen SOMETIMES GO aber auch und schieben deshalb einen flotten Hit wie „Places“ ein. Auf der Habenseite steht definitiv das durchweg grandiose Gitarrenspiel zwischen perlenden Einzelnoten, schweren Riffs und flirrenden Post-Rock-Momenten. Auch der Wechselgesang überzeugt zum größten Teil und erinnert in den kraftvollsten Momenten an TRIBUTE TO NOTHING. In den ruhigen Passagen fehlt es allerdings etwas an Varianz, zudem wirken die englischen Texte dann doch recht „deutsch“. Einige Songs lassen zudem etwas Dynamik und Druck vermissen und laufen recht höhepunktarm über die Ziellinie, was besonders auf das Abschluss-Doppel „Albanian Squares“ und „I Won’t Hide“ zutrifft, die beide zu viel getragenen Schwermut verbreiten. Hier hätte durchaus etwas Sonnenschein das schwere Grau durchbrechen dürfen. Unterm Strich aber ist „Mountains“ eine gelungene Hommage mit viel Herzblut von Genreliebhabern für Genreliebhaber.