Guess who’s back: Wer in diesen abgründigen Zeiten von Pandemie, erstarkendem Rassismus und Verschwörungsspinnereien das komische Gefühl hatte, dass hier irgendwas fehlt, dem rufen STRIKE ANYWHERE zu: Ja, wir!
Man glaubt es kaum, aber der Zeitraum ohne neue Musik von STRIKE ANYWHERE dauert nun schon länger als ihre „aktive“ Zeit: In den zehn Jahren zwischen der Gründung 1999 und dem letzten Album „Iron Front“ 2009 wurde die Band aus Richmond, Virginia zum Synonym für hochmelodischen und hochpolitischen Hardcore-Punk. Vier Alben (und ebenso viele EPs) voller Feuer und glasklarer Haltung (gegen Faschismus, Rassismus, Globalisierung und für Menschen- & Tierrechte) auf unerreicht hohem Qualitätslevel machten das Quintett um Dreadlocks-Träger Thomas Barnett zum Klassenprimus in Sachen melodischer Hardcore. STRIKE ANYWHERE verstanden es dabei immer schon ein bisschen besser als die Konkurrenz, ihre Botschaften mit maximaler Eingängigkeit unters Volk zu bringen, ohne dabei an Durchschlagskraft einzubüßen. Warum die Band dann allerdings fast unbemerkt in der Versenkung verschwand (gelegentliche Touren ausgenommen) und geschlagene elf Jahre keine neue Musik veröffentlichte, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Fakt ist: STRIKE ANYWHERE sind zurück – und klingen exakt so, wie man sie in Erinnerung hatte. Die sieben Songs auf „Nightmares Of The West“ fügen sich nahtlos in die Diskographie ein und beweisen, dass die Band nicht verlernt hat, wie man eingängige Hymnen für die nächste Revolution schreibt: Bei „Documentary“ schnellt unweigerlich die Faust in die Höhe und „Dress The Wounds“ ist noch keine vier Takte alt, da formieren sich schon erste kleinere Circle Pits im Wohnzimmer. Das absolute Glanzstück aber heißt „The Bells“, das zwar etwas Tempo rausnimmt, gleichzeitig aber den Gänsehautfaktor aufs Maximum hochfährt: Dieses kleine Gitarrenlick in der Strophe, der melancholische Vibe und diese umwerfend schöne Gesangslinie von Barnett im Chorus – so klingt der sichere Kandidat fürs nächste Mixtape (ok, klar, die Playlist - wir haben ja 2020). Dass die Begeisterungskurve im Anschluss mit „Frontier Glitch“ und „Imperial Waste“ etwas abflacht, lässt sich gut verkraften. Schlechte Songs sind auch diese nicht, im direkten Vergleich aber weniger mitreißend. Das Cover „Opener“ der britischen Punkband BLOCKO zollt Schlagzeuger Marc "Mates" Maitland Tribut, der sich im vergangenen Jahr das Leben nahm. So tragisch der Anlass, so gelungen aber ist die Interpretation: Schon BLOCKO scheinen sich ordentlich von HOT WATER MUSIC beeinflusst lassen zu haben, wie die schöne Gitarrenspielerei in der Bridge beweist. STRIKE ANYWHERE bleiben nah am Original, der Song geht ohne Vorkenntnisse aber auch locker als gelungene Eigenkreation durch. Das hardcorige „We Make The Road By Walking“ zeigt dann zum Schluss nochmal höheres Aggressionspotenzial und lässt die EP in einer verrauschten Lärmwand ausklingen. Man kann sich jetzt natürlich fragen, warum hier schon wieder Schluss sein soll – oder einfach erneut Play drücken.