Mehr als 4 Jahre nach „Monolith“ meldet sich das All-Star-Rock-Kollektiv SIGHTS & SOUNDS um Andrew Neufeld zurück. Nach dem starken Debüt-Album folgt nun über Pure Noise Records eine 6 Song starke EP, die die Kanadier aktuell auf großer Europa-Tour mit niemand geringerem als Bring Me the Horizon vorstellen. Ist die Platte gut genug, um ausverkaufte Tausender-Hallen zu beschallen?
Das Rezept jedenfalls ist ein ähnliches wie beim Vorgänger. Auch auf „Silver Door“ schmeissen die Akteure Elemente aus Rock, 90er-Jahre-Emo, Hardcore, Metal, Punk und teilweise noch exotischeren Gefilden in einen Topf und lassen dabei eine in sich kohärente Mischung entstehen, die für einige Überraschungen gut ist. An keiner Stelle streckt sich diese EP, wenn man sie zum ersten Mal durchhört. „Monolith“ hatte mit seinen sphärischen Post-Rock-Strukturen teilweise zum abdriften verführt, doch „Silver Door“ hält einen stets bei der Stange. Das verblüffendste daran: Für mich vermittelt jeder einzelne Song eine andere Stimmung.
So empfängt „Poli’s Song“ den Hörer mit warmen Gitarrenklängen und einem optimistisch klingenden Andrew Neufeld. Die harmonischen Piano-Klänge und Background-Chöre verhelfen dieser ersten Nummer zum Ohrwurm-Charakter. Auch die akustischen Gitarren werden gut platziert und zur Geltung gebracht. „Cards in Place“ kommt dann gleich ganz anders daher: Treibend und düster fühle ich mich gleich an Monolith erinnert. Einmal mehr überzeugt Neufeld mit seiner stimmlichen Varianz, einmal mehr kann ich mir SIGHTS & SOUNDS gar in einem Stadion vorstellen, mit Hymnen-Charakter, ähnlich wie ihn „Sorrows“ auf dem Debut-Album hatte, ist dieser Song für mich das Highlight einer mehr als soliden EP. Was nicht bedeuten soll, dass man danach abschalten kann. „Nothing At All“ klingt reserviert, sorgenvoll und melancholisch. Ein Lied für regnerische Herbsttage, das durch hohe Gitarrenmelodien und gezogenen Gesang in Szene gesetzt wird und sich gegen Ende hin immer weiter in die Hoffnungslosigkeit verliert. „Hold on Me“ klingt durch gemutete Gitarren und Effekt-Haderei verschlossen und irgendwie mysteriös, der geflüsterte Gesang passt wie auch auf dem Rest der EP perfekt zur Instrumentalisierung. Aus der Trance gerissen wird man dann durch Schreie, die sogleich an COMEBACK KID erinnern. Zweifelsohne ist dies der härteste Song von „Silver Door“, scheinbar doch nicht jeder der Songs ist radiotauglich. Mit „Solo, So Low“ kommt dann die große Überraschung: Latin- und Jazz-Einflüsse kennzeichnen diese dynamische, interlude-artige Nummer, deren Gitarren-Solo auch verdammt weit über den Tellerrand schaut, bis in der zweiten Hälfte dann wieder in gewohnte Sphären gerutscht wird und eine Progression von groovig bespaßend zu energisch mitreissend vollzogen wird. „Good Morning“ heißt der gut platzierte Rauswerfer. Die offenen Gitarren-Klänge zu Beginn des Songs vermitteln gleich eine gewisse Aufbruchs- oder auch, passend zum Titel, Aufwach-Stimmung. Ein letztes Mal laden SIGHTS & SOUNDS zu einem relativ schnellen Tanz ein, der den geneigten Hörer nach 23 Minuten mit guter Stimmung und einem Grinsen auf dem Gesicht verabschiedet.
Ich wage zu bezweifeln, dass 14- bis 16-Jährige BMTH-Kiddies zu schätzen wissen, was SIGHTS & SOUNDS hier mal wieder auf die Beine gestellt haben, aber ausgebuht werden sie damit sicher auch nicht. „Silver Door“ ist eine spannende Rock-EP par excellence, die es fast jedem an irgendeiner Stelle recht macht, sich dabei aber nie zu sehr anbiedert. Ein Glück, dass Neufeld dieses Projekt als Ventil seiner kreativen Ideen abseits von COMEBACK KID gefunden hat – ein Künstler wie er sollte sich ausleben können.
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Tracklist:
1. Poli's Song
2. Cards in Place
3. Nothing at All
4. Hold On Me
5. Solo, So Low
6. Good Morning