Plattenkritik

Starkweather - This Sheltering Night

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 25.05.2010
Datum Review: 30.06.2010

Starkweather - This Sheltering Night

 

 

Es ist diese Dunkelheit, diese alles zerfressende Leere, die einem die Luft zum Atmen nimmt. Man gewöhnt sich nie daran. Man kann es versuchen und dennoch wird man immer wieder auf halben Wege scheitern. Diese Unfähigkeit sich zu bewegen, einen Schritt vor und zurück zu gehen, macht einen mürbe. Ein dunkler Raum, eng und doch unendlich weit. Die Wände zum Greifen nah und doch unerreichbar. Und immer wieder schwirren einem diese Fragen durch den Kopf. Diese existentiellen Fragen, auf die es keine Antwort gibt. Letzten Endes ist alles von vorne herein klar, doch die Erkenntnis, dass sich einfach nichts weiter bewegt (wie auch) kommt nie. So, als sei man Querschnittsgelähmt, gibt man sich seinem Schicksal hin und wartet darauf, dass es einen endlich trifft. Der letzte Schlag. Das Herz hört auf zu arbeiten, die Hirnfunktionen setzen aus und endlich hat diese Qual ein Ende. Die Frage ist doch nur: Was treibt einen zu diesen Gedanken? Die Antwort ist so klar wie uneinleuchtend: STARKWEATHER.

STARKWEATHER machen den Menschen kaputt. Sie zerstören ihn systematisch, ohne ein System aufzuweisen. Schon mit den ersten Tönen quillt einem das Blut aus den Ohren und der Nase. Aber es schmerzt nicht. Es läuft einfach nur unaufhaltsam aus den Öffnungen. Literweise. Warum? Der Versuch, zu verstehen, was einem diese Band auf menschenverachtende Weise sagen möchte, zerstört die Synapsen, lässt binnen kürzester Zeit Tumore wachsen, die einem schlicht und ergreifend die Sinne rauben. Dennoch sind es annähernd Symphonien bestehend aus Doom, Sludge, progressivem Metal, Ambient und dem absoluten Abriss, die einem da vorgeworfen werden. Mal dissonant, mal nur in Störgeräuschen ausartend, jedoch immer ungreifbar. Aber vielleicht ist das auch genau das Ziel dieser seit mehr als 20 Jahren agierenden und seit jeher unterschätzten Institution. Sie wollen einfach nicht verstanden werden. Es grenzt an Autismus, seitens der Band, seitens der Hörer. Technisch perfekt und doch so daneben, dass man nur mit dem Kopf schütteln würde, wenn man denn könnte. Gleiches gilt für die Entführung in die Welt der Störgeräusche durch die Gastauftritte der Ambient-Künstlerin SOPHIA PERENNIS ("Swarm" und "The End Of All Things") oder aber auch jene von OKTOPUSS ("Transit", "Receive" und" Proliferate"), der den meisten durch seine Tätigkeit bei DÄLEK bekannt sein dürfte. Die Ausflüge untermalen die Atmosphäre und Düsternis dieses Hassbatzens nur noch mehr, als das sie auch nur in irgendeiner Form Erleichterung schaffen würden.

Zwar zeigt ein "Broken From Inside" so etwas wie eine Songstruktur auf, bedient sich dabei sogar allerlei Stoner Anleihen, zerlegt das Gefühl von Verständnis jedoch in kürzester Zeit wieder und entzieht sich damit ziemlich schnell jeglicher Packbarkeit. Einem wirklich roten Faden scheint das Ganze hier also nicht zu folgen und wirkt somit oftmals mehr als anstrengend. Dennoch übt "This Sheltering Night" eine unheimliche Faszination aus, der man sich einfach nicht entziehen kann und die einen vergessen lässt, in welch prekärer Situation man sich eigentlich befindet. Immer noch ist der Raum dunkel, erscheint mit einem Mal jedoch taghell. Zu erkennen ist dennoch nichts. Das gleißende Licht beißt in den Augen, lässt blutrote Tränen aus ihnen strömen, die sich mit der Flüssigkeit aus Nase und Ohren verbindet. Stehende, gar sitzende Position ist nicht mehr möglich. Der Körper ist schwach und schon nach dem dritten Stück (jedes auf diesem Album hat eine Spielzeit von etwa sieben Minuten und mehr) kämpft man mit dem Gefühl der Bewusstlosigkeit. Eigentlich angenehm, dennoch sehr bedrohlich. STARKWEATHER nehmen darauf aber keine Rücksicht und ziehen ihr Ding durch, ohne Rücksicht auf Verluste. Wie man heißt, hat man schon längst vergessen, wer man einmal war oder was man verkörpert hat, ist nicht mehr existent. Eine wabernde Masse, die dort auf dem Boden vor sich hin schwimmt und immer weiter durch die Brachialität dieser Band in ihre Einzelteile zerlegt wird. Der Letzte macht die Lichter aus und wenn das nicht klappt, ist da immer noch diese Band, die den Schalter auf jeden Fall finden wird. Klar sein sollte hier aber jedem, dass sie diesen Schalter nicht mit rosa Wattebäuschen bewerfen, sondern solang auf ihn einprügeln werden, bis die gesamte Elektrik im Raum ihren Geist aufgibt. Und wer es bis hierhin noch nicht kapiert hat, der sollte besser von vorne herein die Finger von dieser Platte lassen. Der pure Horror für jeden, die Erfüllung für einige und für STARKWEATHER ist das hier ganz sicher das Meisterstück ihrer "Karriere".

Autor

Bild Autor

Alex G.

Autoren Bio

rien.