Gut fünf Jahre sind seit ILLINOIS vergangen, dem Album welches Sufjan Stevens immerhin zu etwas mehr Ruhm verholfen hat. Danach kam noch THE AVALANCHE, welches auf dem Cover damit kokettierte ein Album voll mit Outtakes und Extras von ILLINOIS zu sein. Eine EP-Box mit Weihnachtssongs wurde zwischendurch auf den Markt geschmissen. Danach war erstmal Ruhe und Sufjan Stevens vor lauter Kreativität vielleicht auch ausgelaugt.
Der Mann der seit seinem dritten Album MICHIGAN alles in Gold verwandelte was er anpackte überlegte Gerüchten zufolge sogar mit der Musik abzuschließen, dass er es nicht ganz ernst meinte mit seinem Mammutwerk dem Staatenprojekt, war zuvor schon klar und durchaus verkraftbar. Aber einen derart talentierten Songwriter der sowohl die opulenten wie auch die ganz zarten und leisen Töne beherrscht zu verlieren - es hätte ein eigener Trauertag eingerichtet werden müssen.
Drei Jahre mit so gut wie keine Informationen und dann ein Projekt über den Brooklyn-Queens-Expressway, inklusive eines Kurzfilms und Comics über Superheldinnen mit Hula-Hoop-Reifen (The Hooper Heroes). Kein Gesang, nur Kompositionen mit Namen wie, 'Movement IV: Traffic Shock' die sich überaus gerne bei Klassik und Elektronik bedienten und beides vermengten. Irgendwie hat es Sufjan Stevens sogar geschafft, das dann als THE BQE betitelte Album, gut klingen zu lassen, wenn es auch alleine schon musikalisch nicht mit seinen Vorgängerwerken vergleichbar war. Indes war es, obwohl die Qualität des dargebotenen durchaus gut war, dennoch nicht befriedigend. Sufjan Stevens der Songwriter war weiterhin als vermisst gemeldet.
Ende August dann die Nachricht. Es wird einen digital-only EP namens All Delighted People veröffentlicht. Aus dem Nichts die Erlösung, auch wenn man noch die ersten Töne abwarten wollte, denn vielleicht ist Sufjan Stevens nun gänzlich zur Avantgarde abgewandert. Die Information, dass die EP um zwei Versionen des Lieds 'All Delighted People' herum aufgebaut ist, welche wiederum eine Hommage an die Apokalypse, die Langeweile und den Song 'Sound Of Silence' sind, könnte es vermuten lassen.
Die ersten Töne, ein zarter Frauenchor, Sufjan Stevens Stimme so prägnant und gleichzeitig so sanft wie man sie in Erinnerung hatte. Die ersten Bläser und Geigen erscheinen im Hintergrund. Der Chor wird intensiver, Gänsehaut. 'All Delighted People Raise Their Hands'. Das Schlagzeug setzt ein und ich möchte beide Arme gen Himmel recken. Er ist zurück, der Songwriter der sowohl das Opulente, wie auch die Stille beherrscht. Die Chöre die sich in die höchsten Sphären schrauben, das Orchester, welches auf den ersten Eindruck nicht wie eines wirkt, die ruhige gezupfte Gitarre, das Dramatische und das Erlösende, es ist alles wieder da. Ich würde am liebsten quer durch die Wohnung hüpfen, wenn ich dadurch nicht etwas von diesem grandiosen Song verpassen würde. Mit 'All Delighted People (Original Version)' hat Sufjan Stevens fast so etwas wie seinen Opus Magnum geschaffen. Elf Minuten und achtundreißig Sekunden volles Programm, emotionale Höhen wie Tiefen und ein bedrückendes Ende, 'I tried to save the things I made, but the world is a mess, I tried my best, I tried in vain'.
'Enchanting Ghost' ist darauf ein geradezu reduzierter Song, wenn auch hier ein Klavier und eine Harfe im Hintergrund mit vom Spiel sind. Ein untypisch privater Text über das Gehen-Lassen, des sonst vorwiegend narrativen Songwriters. 'Heilroom' beschreitet hier einen ganz ähnlichen Weg, während 'From The Mouth Of Gabriel' scheinbar eine Symbiose des Opulenten und Ruhigen, mit etwas elektronischer Unterstützung ist. Hier frönt er wieder seiner Vorliebe zu theologischen und säkularen Themen, welche er aber so arrangiert das sie auch den Agnostikern oder Atheisten gefallen. Eine tieftraurige Geschichte ist ihm dann mit 'The Owl And The Tanager' gelungen. Nur vom Klavier begleitet versteht er es eine so düstere Stimmung zu inszenieren, dass das Herz vor lauter Druck zu platzen scheint. Dabei geht es hier weder um die Realität noch um Menschen, sondern um zwei Vögel. Dennoch sind Zeilen wie 'You said you’d wait for me, down by Tannery Creek, far out by the roadside where we used to kiss behind the sheets' enorm intensiv und bedrückend.
Die 'Classic Rock Version' des Titelstücks ist dann eben genau dies, aber trotzdem beeindruckend, opulent und grandios, wenn auch nicht ganz so pathetisch und erfüllend wie die 'Original Version'. Noch kurz eine zuerst verschrobene und dann doch austarierte Ballade im besten Michigan-Stil einschieben ('Arnika'), um danach zum siebzehn minütigen Mutmachwerk für Sufjans Schwester Djohariah zu kommen. Hier werden nochmals ganz große Geschütze aufgefahren und alles von einem Gitarrensolo zerschreddert, welches sich stellenweise fast zur Kakophonie aufbaut. Erst zum Ende hin wird klar worum es überhaupt geht und Sufjan Stevens findet hierfür ungewöhnlich klare Worte, 'and the man who left you for dead, he’s the heart grabber back stabber double cheater wife beater, you don’t need that man in your life'. Es bauscht sich Euphorie auf und der Song endet mit den Zeilen 'Go on! Little sister! Go on! Little sister! For your world is yours, world is yours, All the wilderness of world is yours'. Welche kleine Schwester würde sich nicht einen solchen Song wünschen und würde sich danach nicht besser fühlen.
Sufjan Stevens du, deine Lieder und diese EP, fast alles schon zu gut für diese Welt.
Tracklist:
1. All Delighted People (Original Version)
2. Enchanting Ghost
3. Heirloom
4. From The Mouth Of Gabriel
5. The Owl And The Tanager
6. All Delighted People (Classic Rock Version)
7. Arnika
8. Djohariah