Zwei Jahre ist es her, das ein Deathcore Debüt die ansonsten so entspannte Gemeinde seit kurzem harte Musik entdeckender, bis unter das Kinn tätowierter und allesamt optische Pflaumenstürze abgebender Chucksträger erschüttert hat. The Cleansing wurde als völlig empfunden, völlig gut oder völlig daneben. Die bis dato Diskussionen eher aus dem Weg gehende Gemeinde war außer sich und musste mit comments in den einschlägigen Foren um sich schlagen. Sind SUICIDE SILENCE länger im Geschäft als CARNIFEX, lösten sie einen in der Szene unakzeptablen Boom aus (schließlich stieß The Cleansing bis unter Hundert in die Billboards vor) oder waren es doch eher nichts könnende, scheiße aussehende und Mutti, I love you auf der Stirn tragende trittbrettfahrende Poser?
Wie auch immer, nun darf die Gemeinde sich ein zweites Mal das Maul blutig labern, denn der Nachfolger mit dem wunderschönen Fließbandtitel No Time To Bleed begehrt einen Antrag auf Kindergeld. Zunächst einmal wird dieser rigoros abgelehnt, gleich der Opener Wake Up vermag alles, nur nicht wachzurütteln. Immer und immer wieder brüllt einem Sänger Mitch Lucker den Titel ins Gesicht, schon fast kann sein Atem als unangenehm empfunden werden. Unangenehm deshalb, weil er nicht aufhören will, einem diese zwei Worte mit auf den Weg zu geben, so als wolle er gleich zu Beginn sagen: Bleibt bei mir, schlaft nicht ein! Aus schierer Raserei mit gelegentlichen Haltestellen sind auf No Time To Bleed viele Stopps mit gelegentlichen Flugzeugstarts geworden. SUICIDE SILENCE kann nicht vorgeworfen werden, ein Abklatsch eines erfolgreichen Einstands veröffentlicht zu haben, dafür ist No Time To Bleed viel zu abwechslungsreich und viel zu langsam gestaltet worden. Die Devise heißt nach wie vor Intensität, nicht durch den Schlag in die Fresse, sonder durch das Vorprokeln von hinten durch den Mund. Irgendwo im Enddarm sind SUICIDE SILENCE hängen geblieben, die Songs versprühen nach wie vor Brutalität, haben aber wegen des standardisierten Deathcore Vorgehens enorm an Gefährlichkeit eingebüßt. Den schlimmsten Vorwurf, den sich SUICIDE SILENCE gefallen lassen müssen, ist die Tatsache, dass sie nicht mehr auf einer anderen Ebene musizieren, sondern auf der Suche nach einem fortschrittlichen und langlebigeren Sound auf gleicher Höhe mit Genrekollegen stecken geblieben sind. Wobei No Time To Bleed ansonsten (bis auf das völlig belanglose europäische Coverartwork) unterstützt durch einen druckvollen Sound elf genreübliche Granaten zündet, die nur nicht mehr direkt am Körper, sondern in sicherer Entfernung detonieren. Gemeindemitglieder, die The Cleansing verehrten, könnten somit abgeschreckt werden. Die anderen könnten sich mit dem neuen Album anfreunden, letztendlich kann es sowieso keinem recht gemacht werden und SUICIDE SILENCE werden die Debatten am Allerwertesten vorbeigehen.
"Wake up, wake up!"
Tracklist:
01. Wake Up
02. Lifted
03. Smoke
04. Something Invisible
05. No Time To Bleed
06. Suffer
07. And Then She Bled
08. Wasted
09. Your Creations
10. Genocide
11. Disengage