Huch, hat man mir hier versehentlich die neue EVERY TIME I DIE untergejubelt? Mit der verschrobenen Mischung aus abgehacktem Mathcore und schweißtreibenden Hard Rock klingt "Praise Poison" tatsächlich verdächtig nach den Chaoten aus Buffalo, New York. Aber nein, der Promoagentur ist kein Fehler unterlaufen; zwar veröffentlichen auch EVERY TIME I DIE dieser Tage wieder, ich höre hier aber definitiv "Transit Blues", die neue Scheibe von THE DEVIL WEARS PRADA. Die Überraschung zum Einstieg ist auf jeden Fall gelungen und die energiegeladene Mixtur steht den Betbrüdern aus Ohio gar nicht schlecht zu Gesicht. Doch darauf festlegen wollen sich die Herren, wie sehr schnell klar wird, nicht. "Daughter" wildert z.B. wieder in für die Band etwas typischeren Gefilden und hätte auch gut auf "Dead Throne" gepasst. Shouter Mike Hranica ist stimmlich allerdings etwas mehr in die Nähe eines Sam Carter gerückt, während der Gesang von Jeremy DePoyster nicht mehr ganz so zuckersüß wie früher daher kommt und hier sehr bedacht eingesetzt wird. "Worldwide", eine Hymne an das Fernweh, entpuppt sich darauf als zugänglichstes Stück der Scheibe und ist nach ein paar Durchläufen nur schwer wieder aus den Gehörgängen zu kriegen.
Dann ist es aber erstmal vorbei mit der leichten Kost; "Lock & Load" türmt sich wie ein düsteres Bollwerk vor dem Hörer auf, welches es erstmal zu passieren gilt. "Flyover States" täuscht zunächst eine ruhige Nummer an, schraubt sich dann aber zu einem mitreißenden Wirbelsturm aus Verzweiflung, Wut und Angriffslust hoch. Auch beim relativ gradlinigen Metalcore-Brett "Detroit Tapes" lässt dieser düstere Unterton, der sich besonders in den letzten beiden Nummern manifestiert hat, nicht ab und sorgt für eine dichte, unheilschwangere Atmosphäre. Es will weiterhin auffallen, dass die Band auf ihrer neuen Scheibe einen Haken nach dem anderen schlägt; ähnlich wie bei ihrem großen Vorbild sind auch die Wege von THE DEVIL WEARS PRADA mitunter unergründlich, jedenfalls hat man ganz offensichtlich großen Wert auf Abwechslung gelegt. Beim ersten Hördurchlauf habe ich tatsächlich gespannt wie ein Flitzebogen auf meiner Couch gesessen und mich diebisch über jede unerwartete Wendung gefreut.
"The Condition" z.B. gibt den ruhigen Tönen und dem Klargesang von Jeremy DePoyster wieder viel Raum, während "To The Key Of Evergreen" mit bissigem Metalcore eröffnet und dann langsam in emotionales Breitwandkino abdriftet. Bei "Submersion" ist der Name Programm, die Nummer wirkt mit ihren düsteren Beats, unwirklichen Samples und immer wieder majestätisch flirrenden Riffs tatsächlich wie ein Abstieg in die finsteren Tiefen des Ozeans und man kann sich regelrecht mit in den Abgrund ziehen lassen. "Home For Grave, Pt. II", dessen erster Teil sich auf dem direkten Vorgängeralbum befindet, kann wohl getrost als einer der mitreißendsten und intensivsten Songs des Albums und der Band allgemein bezeichnet werden. Primär begleitet von Bass und Schlagzeug und weitestgehend nur mit dezenten Gitarrenmelodien unterlegt, berichtet eindringlicher Sprechgesang vom Gefühl des Verlustes eines geliebten Menschen. Dieses Stück bewegt und sorgt bei mir auch nach vielen Hördurchgängen noch für Gänsehaut. Mit dem Titelstrack verabschieden sich THE DEVIL WEARS PRADA schließlich schon fast etwas zu gewöhnlich aus einem überaus vielschichtigen Album, auf dem es auch nach mehreren Hördurchläufen immer wieder neue Facetten zu entdecken gibt.
Manch einer stellt sich nun sicher mal wieder die Frage, wie bibelfest die bekennenden Christen auf ihrer neuen Scheibe unterwegs sind; in Teilen der Szene stellt der allzu aufdringliche Umgang mit dem guten Buch ja gerne mal ein Problem dar. Ganz genau kann ich das mangels Lyrics zwar nicht sagen, rein ohrenscheinlich widmet sich die Band auf "Transit Blues" aber eher weltlichen oder zumindest nicht eindeutig religiösen Themen. Insgesamt ist THE DEVIL WEARS PRADA hier jedenfalls ein absolutes Highlight gelungen; sowohl in der eigenen Diskographie als auch allgemein ist "Transit Blues" wohl eines der spannendsten Metalcore-Alben der letzten paar Jahre.