Da hilft nur Lamentieren: Eine der aufregendsten Bands im Post-Hardcore der letzten Dekade meldet sich nach mehrjähriger Pause mit dem fünften Album zurück. TOUCHÉ AMORÉ verzichten dabei auf einen thematischen Überbau und zeigen sich so vielseitig wie selten zuvor.
War das bislang letzte Album „Stage Four“ noch reine Selbsttherapie Bolms, der den Krebstod seiner Mutter zu verarbeiten hatte, ist „Lament“ nun thematisch und musikalisch wesentlich breiter aufgestellt. Das beweist direkt der punkige Opener „Come Heroine“: So energiegeladen und mitreißend hat man die Band aus LA gefühlt zuletzt auf dem Durchbruchsalbum „Parting The Sea Between Brightness And Me“ gehört. In „Reminders“ entdecken TOUCHÉ AMORÉ sogar ihre Pop-Punk-Ader und auch „Savoring“ gibt sich fast positiv melodisch und dank kurzem Blastbeat-Gewitter überaus dynamisch. Im Kontrast dazu finden sich aber auch immer wieder zurückgenommene Momente, wie den düsteren Titelsong mit seinen verwaschenen Gitarren, oder das Herzstück der Platte: „Limelight“ nimmt sich als einziger Song deutlich mehr als die durchschnittlichen drei Minuten, um mit leiser Strophe und traurigem Gitarrenpicking eine melancholische, fast resignierte Stimmung aufzubauen, die der kraftvolle, aber tanzbare Chorus weiterträgt, bis dann nach drei Minuten die Stimme von MANCHESTER ORCHESTRA's Andy Hull erklingt und dem Song zusammen mit Bolms Schreien im Hintergrund nochmal in eine versöhnliche Richtung lenkt. Nicht nur diese Kollaboration beweist: TOUCHÉ AMORÉ machen sich frei von jeglichen Erwartungshaltungen, was sich allerdings mehr oder weniger schon durch die gesamte Karriere zieht. So stehen kurze, fast reinrassige Hardcore-Explosionen („Exit Row“) gleichberechtigt neben schwelgerischen Songs inklusive Hawaiigitarren („A Broadcast“) und ergänzen sich dabei hervorragend. Richtig intensiv wird es dann in „I’ll Be Your Host“, der Abrechnung mit der Rolle, die Bolm sich selbst mit dem letzten Album geschaffen hat: „At what point / is enough / I don't want this role / I give it up / It's not enough / I'll be your host / Against my will“ – Man kann höchstens erahnen, wie viele Fans, die ein vergleichbares Schicksal durchgemacht haben, in Bolm ihr vermeintliches Sprachrohr gefunden zu haben glaubten. In eine ähnliche Richtung geht das abschließende „A Forecast“: Eine unironische Klavierballade die Bolm so lange mit glasklarer Stimme vorträgt, bis er es nicht mehr aushält und der Song ohne Vorwarnung in einen schwer groovenden, aber hochmelodischen Brocken von Post-Hardcore explodiert und damit zu einem der Highlights der Platte wird: „I'm still out in the rain / I could use / A little shelter / Now and then“. Wir alle, Jeremy. Wir alle.