Plattenkritik

TURNOVER – Good Nature

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 25.08.2017
Datum Review: 16.08.2017
Format: CD Vinyl Digital

Tracklist

 

01. Super Natural
02. Sunshine Type
03. What Got In The Way
04. Butterfly Dream
05. Curiosity
06. Pure Devotion
07. Nightlight Girl
08. Breeze
09. All That It Ever Was
10. Living Small
11. Bonnie (Rhythm & Melody)

Band Mitglieder

 

Austin Getz
Casey Getz
Danny Dempsey

TURNOVER – Good Nature

 

 

Vor kurzem erschien das neue Album von LANA DEL REY. Ich mag LANA DEL REY. Nach zwei Songs hab ich es ausgemacht. Leider. Dabei gefällt mir ihre Musik. Eigentlich. Irgendwie. Sie muss mir gefallen. Konsensmusikerin. Sympathieträgerin. Es gibt wirklich gute Songs von ihr, nur leider konnte sie mich auf Albumlänge nie wirklich überzeugen. Also hör ich weiterhin vereinzelt „Summertime Sadnes“ und „Video Games“, freu mich über jedes Feature mit THE WEEKND und A$AP ROCKY und bleib dabei, dass mir LANA DEL REY gefällt. Eigentlich.

„Good Nature“ ist das dritte Album von TURNOVER. Ich mag Turnover. Nach vier Songs hab ich ausgemacht. Leider. Dabei gefällt mir deren Musik. Eigentlich. Irgendwie. Sie muss mir gefallen. Konsensband. Sympathieträger. Wobei: Das mit der Sympathie ist nach den Sexismus- und (emotionalen) Missbrauchsvorwürfen gegen den ehemaligen Gitarristen Eric Soucy etwas geschwunden. Dennoch: Es gibt wirklich gute Songs von ihnen, nur leider konnten sie mich auf Albumlänge nie wirklich überzeugen.

Der Vorgänger „Peripheral Vision“ unterlag bereites einem stilistischem Wandel und hatte mit dem Emo-Pop-Punk des Debuts „Magnolia“ nichts mehr viel gemein. Auf dem aktuellen Album ist selbst der „Emo“-Stempel weitestgehend gewichen. Genrewechsel und Stiländerungen sind nicht grundsätzlich verkehrt und werden dem Hörer oftmals als „Weiterentwicklung“ verkauft. Ok. Problematisch wird es, wenn eine Band in stilistische Gefielde driftet (bewusst oder unbewusst) und dann lediglich eine langweilige Kopie einer Kopie einer Kopie von diversen Genrepionieren darstellt.

TURNOVER spielten auf ihrem letzten Album bereits eine Mischung aus Indie, Emorock und Dream-Pop. Die Mischung aus Indie und Dream-Pop ist auf „Good Nature“ geblieben. Shoegaze mischt sich in Teilen hinzu. Schöne Genres, zeitgemäß obendrein - aber einladend zur Langeweile, wenn die spannenden Nuancen fehlen und es vor allem an Wiedererkennungswert mangelt. „Peripheral Vision“ war Spannend seinerzeit, unterlag jedoch einem Hype, welcher berechtigterweise nach kurzer Zeit wieder abflachte, denn trotz schöner Melodien und dadurch kurzweiligen Songs fehlten die Fragmente, die sich im Kopf langfristig festsetzten.

Potential, Lichtblicke, Hoffnungen

„Good Nature“ besteht aus exakt drei richtig guten Songs: Die erste Vorabsingle „Super Natural“ ist ein toller Midtempo-Indiepopsong, welcher nach ein paar Anläufen mit einer schönen Gesangsmelodie im Refrain punktet und als Albumopener die Erwartungen weit nach oben legt. „Curiosity“ ist zwar trotz der Uptempo-Drums meilenweit von einem Punksong entfernt, aber gerade in Kombination mit dem sanften Gitarrenspiel, den minimalistisch anmutenden, entspannten Melodiebögen und Austin Getz´ intovertiertem Gesang stellt das Lied das Highlight des Albums dar. „Breeze“ hält ein ähnliches Tempo und beinhaltet eine ähnlich gute Ohrwormhook wie die beiden eben erwähnten Songs.

Langeweile, Monotonie, Mittelmaß

Das restliche Album ist langweilig, monoton und strotzt vor Mittelmäßigkeit. Bereits ab dem zweiten Song, der zweiten Single „Sunshine Type“, verliert man sich in losem Gedankenwirrwarr, vergisst beim Tagträumen seine angelegten Kopfhörer und ermüdet bei der Konzentration auf die Musik. Bei Schlafproblemen optimal. Der erste Höhepunkt der Belanglosigkeit findet sich im auditiven Roadtrip „Butterfly Dream“, mit solch herausragenden und hochanspruchsvollen Lyrics wie:

„I Wanna Drinkin´/I Wanna Smoke – I Wanna Kissin´/Take Off Your Dress“.

DRAKEesque. Die hallüberlegten Gitarrenmelodien und der Popappeal des Songs retten diesen lyrischen Fail einigermaßen.

Nach dem positiven Ausreißer "Curiosity" kopiert sich die Band auf „Pure Devotion“ selbst, der Refrain klingt nahezu identisch wie die erste Single, plätschert dahin und die beiden im Wechsel gespielten Akkorde beginnen bereits im ersten Drittel des Songs zu langweilen. Bis auf den letzten positiven Ausrutscher "Breeze" wird „Good Nature“ nicht besser. Am Ende des Albums bin ich mehrmals fast eingeschlafen.

Problem neben der fehlenden Eigenständigkeit und Ursache für Langeweile ist vor allem der Mangel an Abwechslung. „Good Nature“ klingt an nahezu allen Stellen gleich und selbst nach dem dritten Durchlauf ist es nur schwer möglich, die einzelnen Bass-/Gitarren- und Gesangsmelodien, welche sich allesamt regelmäßig ähneln, den einzelnen Songs zuzuordnen. Einzig „All That I Ever Was“ mit einer variierten Gesangsstimme sorgt für kurze Spannung, welche durch den vorletzten Song „Living Small“ umgehend zunichte gemacht wird.

Generell Gesang: Sänger Austin Getz hat eine schöne Stimme, erinnert oftmals an eine Mischung aus MINUS THE BEARs Jake Snider und REAL ESTATEs Martin Courtney, aber klingt in seinen eigenen Songs phasenweise unmotiviert, abwesend, fast immer gleich und von sich selbst gelangweilt. Das kann als Stilmittel passend sein, hier fügt sich dieser Mangel an Variation in das Gesamtbild ein und offenbart noch einmal mehr, was „Good Nature“ ist: Ein unfassbar belangloses Album.

Schaut man sich das Last.fm-Profil der Band an, ist erkennbar, dass TURNOVER mit ihrem Stilwechsel vieles richtig gemacht haben, die Anzahl der Hörerschaft stieg innerhalb der letzten Jahre kontinuierlich an. Mit den dort angegebenen „ähnlichen Künstlern“ MOOSE BLOOD und TITLE FIGHT teilt sich die Band lediglich noch ein paar Bühnen. Pate für den aktuellen Sound der Band sind mittlerweile die bereits erwähnten REAL ESTATE und Kurt Vile mit THE WAR ON DRUGS, das Gitarrenspiel erinnert an die letzten beiden Alben von WARPAINT, welche zuletzt einige ähnliche verwaschene Songs schrieben und ebenfalls in der Belanglosigkeit zu versinken drohen.

Am Sound von „Good Nature“ ist nichts auszusetzen, es handelt sich um eine klassische Will Yip-Produktion. Nicht zu LoFi, nicht zu glatt. Perfektes Mittelmaß. Zum Weghören geeignet. TURNOVER wollen viel und scheitern an ihrem eigenen Anspruch. Alternativen? Den Mangel an Emo kaschieren die Labelkollegen CITIZEN, poppigen Shoegazesound gibt es bei aktuellen ALVVAYS-Veröffentlichungen, großartigen, introvertierten LoFi-Indie veröffentlichten zuletzt SNAIL MAIL und klassischen Dream-Pop findet sich bei BEACH HOUSE und DIIV. Vor allem letztgenannte klingen so, wie TURNOVER auf ihrem aktuellen Album klingen wollen. Temporär gelingt ihnen das. Nur in nicht so gut.

Ich mag TURNOVER. Wirklich. Nach vier Durchläufen fehlt mir die Motivation für weitere. Dabei gefällt mir deren Musik. Eigentlich. Irgendwie. Drei gute Songs sind für eine Spielzeit von 45 Minuten und 11 Songs zu wenig. Dabei zeigen gerade diese drei Lieder, dass die Band deutlich mehr Potential hat. Schade. Diesmal konnte mich die Band auf Albumlänge nicht nur nicht überzeugen, diesmal hat sie mich sogar enttäuscht. Also hör ich vereinzelt „Super Natural“ und „Curiosity“, bessere Labelkollegen und DIIV und bleib dabei, dass mir TURNOVER gefallen. Eigentlich.

Autor

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Sebastian

Autoren Bio

Basti // 30 // Berlin // Hiphop bis Blackmetal