Meine Güte, THE BLACK HEART REBELLION: Wo kommt denn dieser neue Sound her? Keuchender Klargesang, Tribalpercussion, Tamburine, Chöre – ist das noch die Band vom 2008er „Monologue“? Die Band, die irgendwo zwischen den großen Pfählen Screamo und Postrock zwar herzzerreißend, aber eben doch recht straight ihr Ding durchgezogen hat?
„Har Nevo“ dürfte daher Liebhaber des Debüts sehr vor den Kopf stoßen, und auch ich musste mich beim erstmaligen Hören der Platte noch mal vergewissern, ob da wirklich die richtige Band läuft. Aber drauf geschissen: Ist das nicht absolut großartig, wenn eine Band sich von einem zum anderen Album völlig neuerfinden kann? Wenn sie einen völlig neuen, völlig eigenen Stil etablieren und meistern kann? Und diesen Stil meistern, ja das können THE BLACK HEART REBELLION.
„Avraham“ ist ein absolutes Feuerwerk eines Openers. Gänsehaut macht sich auf der eigenen Haut bemerkbar, wenn der antreibende Bass-Schlagzeug-Rhythmus vom Hecheln des Sängers übertönt wird. Entfernt erinnert Pieter Uyttenhove im Zuge seines neuen Gesangsstils an Alan Averill der großartigen PRIMORDIAL, genau wie die gesamte neue Stilausrichtung von THE BLACK HEART REBELLION. Doch bereits in diesem Opener zeigt Pieter schon genug Eigenheiten, um von diesem Vergleich genügend abzulenken – und gleiches gilt wieder für den Rest der Band. Doch zurück zu Pieter: Beispiellos energisch überschlägt sich seine Stimme mit dem Ausdruck der Musik – man hört, man fühlt regelrecht, wie er in den Emotionen dieses und dieser Songs steckt, sie mitgenießt und mitleidet. Zu keiner Zeit hat er es dabei nötig, in das alte Schreischema zurückzufallen; allenfalls wird seine Stimme zorniger, geht über in ein Fauchen. Allein diese Art des neuen Gesangs hätte gereicht, um „Har Nevo“ zu einem starken und vor allem auch geglückten Stilbruch zu machen.
Doch THE BLACK HEART REBELLION gehen weiter, als nur die Art des Gesangs zu ändern. Im Großen und Ganzen ist „Har Nevo“ nämlich viel mehr eine Verschreibung zur Naturverbundenheit und Spiritualität, für dass die ganze Band parallel zueinander umrüstet. Beispielhaft ist hierfür natürlich besagte perkussive Versiertheit mit außereuropäischen Zügen, für die man sich nur beispielsweise das Intro von „Crawling Low And Eating Dust“ anhören muss. Es sind vor allem auch Songs wie das unruhige „Animalesque“, die passend zum Titel eine gewisse Wildheit versprühen. Großartig, wie hier Tim Bryon am Schlagzeug mit einem sehr Bass-Drum-fokussierten Spiel eine Unruhe sondergleichen aufbaut. Er ist im Übrigen einer der Hauptgründe, warum „Har Nevo“ so geglückt ist wie es ist. Fragmente des alten Stils gibt es im Übrigen immer noch – vor allem umgesetzt von der vergleichsweise deutlich in den Hintergrund getretenen Gitarrenfraktion, die Songs wie „The Woods I Run From“ mit dem alten Postrock-Tag assoziieren lässt. Dies aber ebenfalls getreu des neuen Settings eingebettet, wie man hier Anfügen muss.
Doch war das nicht abzusehen, dass THE BLACK HEART REBELLION mehr als „nur“ (ich möchte die Anführungszeichen vehement betonen!) diese Post-Rock-Screamo-Irgendwas-Band sind? Man denke nur an das brodelnde letzte Drittel von „Machining“ des Vorgängers, wo allein schon das Schlagzeug im Zuge seiner unruhiger Intensität weit mehr auszudrücken vermochte, als es das Klischee des eigenen Genres erlaubt. Aber was heißt das schon? Mal abgesehen von der Frage, wie festgelegt solche Genres überhaupt sind, und inwiefern eine Band überhaupt in solchen Grenzen denkt waren THE BLACK HEART REBELLION doch schon immer bei aller Schlichtheit des Stils eine unsagbar atmosphärische Band; eine Band, die es vermochte, im tiefsten Inneren Chaos zu verursachen. Was ich mit all dem letztendlich sagen will: THE BLACK HEART REBELLION sind letztlich immer noch dieselbe Band. Und wer schon mit dem Hören von „Monologue“ tiefgreifendere Emotionen verbindet, für den stehen bei allem Umbruch die Chancen gar nicht so schlecht solche Emotionen auch mit „Har Nevo“ zu verbinden. Doch Obacht: Es sind andere Emotionen; es ist nicht mehr diese bittersüße Melancholie, ja THE BLACK HEART REBELLION sind mittlerweile sogar manchmal regelrecht feierlich – das wahnsinnig tolle und ja eigentlich schon zum Mitsingen einladende „Ein Avdat“ zum Beispiel genommen. Doch macht das die Sache, und wie man ab jetzt nun auch sagen darf: diese Band nicht erst spannend? Ist es nicht schön, dass THE BLACK HEART REBELLION nicht ein zweites „Monologue“, sondern ein völlig neues Nest an Emotionen erschaffen haben? THE BLACK HEART REBELLION haben sich immer noch den großen Emotionen verschrieben – und das ist das einzige was zählt. Und vor einer Band, die es im Jahre 2013 schafft noch so befreit und gelöst von sämtlichen Konventionen zu klingen, und nicht zuletzt den Mut hat das Ganze nach einem so geglückten und stilistisch sich gefundenen Debüt überhaupt durchzuziehen kann ich nur meinen Hut ziehen.
Tracklist:
1. Avraham
2. The Woods I Run From
3. Circe
4. Animalesque
5. Crawling Low And Eating Dust
6. Ein Avdat
7. Gold And Myrrh
8. Into The Land Of Another