Jahresrückblicke in Form von Best-Of Listen sind nicht nur extrem unterhaltsam, man stößt darüber hinaus auf eine geradezu haarsträubende Anzahl an großartigen Veröffentlichungen, die einem irgendwie entgangen sind und die die eigene Liste wiederum fürchterlich unkomplett erscheinen lassen (u.a. neues von SUCH GOLD, CIRCA SURVIVE, TIGERS JAW - und wer hat bitte mitbekommen, dass die ewig unterbewerteten ex-Victory Rec. Helden THE FORECAST ein neues Album am Start haben?!). Zwar waren mir THE WONDER YEARS auch vorher schon vom Reinhören bekannt, dennoch hätte ich „The Upsides“ sicher nicht noch einmal aufmerksam angetestet, wenn das Album nicht in etlichen Best-Of Listen auf der honorigen Punknews-Seite vertreten gewesen wäre.
Mit Pop-Punk ist es so eine Sache: schlechte Bands gibt es eigentlich gar nicht, wirklich gute aber auch nur sehr, sehr wenige. Während SET YOUR GOALS außer Konkurrenz spielen (und irgendwie auch nicht 100%ig als Pop-Punk Band durchgehen), schafften es zuletzt nur BROADWAY CALLS und MAN OVERBOARD ein Ausrufezeichen zu setzen. Der Großteil der Bands macht einfach nur gute Laune, doch wirklich viel hängen bleibt da meistens nicht. Bei „The Upsides“ ist der erste Eindruck ähnlich, doch spätestens nach dem zweiten Durchlauf wird klar, dass dem anfangs noch gewöhnlich anmutenden Songs etwas Besonderes inne wohnt. Die jugendlichen, etwas nasalen Vocals, die sehr klare Produktion, die beschwingte Stimmung – alles sehr Genre-typisch und man könnte denken „nett, aber schon 1000x gehört“. Und dann stellt man plötzlich fest, dass hier doch irgendetwas anders ist. THE WONDER YEARS sind nicht so oberflächlich wie viele ihrer Kollegen. Das beginnt schon mit dem Vorwort im Booklet. Ja, das Erwachsenwerden ist hart, vielleicht liegen die unbeschwertesten Zeiten hinter einem, aber das Leben ist zu kurz, um deswegen den Kopf hängen zu lassen. Das haben die Mannen von THE WONDER YEARS nämlich lange genug getan, aber „The Upsides“ beweist eindrucksvoll, dass mit dem Selbstmitleid Schluss ist.
Und damit wären wir bei der Musik: die sorgt nämlich nicht einfach nur im Hintergrund für solide Unterhaltung, sondern wächst Pop-Punk untypisch mit jedem Hören. Die stolze Anzahl von 16 Songs lässt befürchten, dass hier mit Lückenfüllern gearbeitet wird, aber mit jedem Durchlauf werden mehr Hits ausgemacht, denn THE WONDER YEARS wissen einfach wie man Hooks und Melodien schreibt, die süchtig machen („Hostels And Brothels“, „This Party Sucks“, „Logan Circle“, „Washington Square Park“, etc.). Zudem schimmern immer wieder Hardcore-Einflüsse durch, die „The Upsides“ davor bewahren, zu glatt zu wirken. So erinnert „Dynamite Shovel“ gar an die fantastischen DEATH IS NOT GLAMOROUS, während andere Songs durchaus auch auf das fulminante LIFETIME-Comeback gepasst hätten. Trotzdem gibt es auch ruhigere Songs, die eher im Mid-Tempo Bereich beheimatet sind und auch mal die Vier-Minuten Marke knacken. Langweilig wird’s aber auch in diesen Fällen nicht, vielmehr spielen THE WONDER YEARS ihr ganzes Können voll aus.
Zugegebener Maßen habe ich Bands dieses Genres lange Zeit ignoriert, zu belanglos schien ein Großteil der Veröffentlichungen. THE WONDER YEARS haben mich definitiv eines besseren belehrt. „The Upsides“ hat den Frühling für mich schon Anfang Februar beginnen lassen, läuft seitdem jeden Morgen und hört einfach nicht auf, immer besser zu werden. EIne Band, die sich nach einer derart großartigen Serie benennt, kann einfach nicht schlecht sein. Muss man haben. Lockere 8,5 Punkte.