Nach einem leicht verstörenden Intro steigen VEIL OF MAYA zunächst wenig überraschend mit abgehackten Stakkatoriffs und reichlich Effektgefiepe in ihr sechstes Album "False Idol" ein. Folgerichtig erfindet der Opener "Fractures" das Rad nicht neu, VEIL OF MAYA zeigen aber schon hier, warum sie sich vom Großteil ihrer Djent-Kollegen ein Stück weit abheben. Während artverwandte Bands gerne bis zum Erbrechen auf demselben Riff rumreiten und das dann auch noch progressiv nennen, legt die Band aus Chicago besonders während der ersten Albumhälfte hörbar Wert auf Abwechslung.
Mal schaurige, mal unwirklich verspielte Samples und Keyboardeinlagen gehören zum festen Repertoire von VEIL OF MAYA und erzeugen eine düstere Grundstimmung; der stete Wechsel zwischen kernigen Shouts und (anfangs noch) wohldosiertem Klargesang sorgt für Abwechslung auf der stimmlichen Ebene und trägt zur Eingängigkeit einer Nummer wie "Doublespeak" bei, ohne ihr diese finstere, heimgesuchte Atmosphäre zu nehmen. Auch Axtschwinger Marc Okubo ist merklich bemüht, nicht in die genretypische Spirale aus polyrythmischem Gegniedel und immer gleich klingenden Stakkatoriffs zu stolpern, weitestgehend ist sein Spiel sehr abwechslungsreich und vielseitig, ja, mitunter sogar richtig spannend. Besonders wenn VEIL OF MAYA das Djent-Genre komplett hinten anstellen, trägt dies ungemein zur Auflockerung des Materials bei. So beginnt "Overthrow" z.B. ziemlich flott und entpuppt sich schnell als astreine Metalcore-Nummer mit ordentlich Druck, vielen Tempowechseln und einem fesselnden Refrain, der teils gesungen, teils geshoutet wird.
Ein weiteres Highlight der Scheibe ist "Whistleblower", welches mit fettem New-Metal-Goove à la KORN reinklotzt und im weiteren Verlauf mit irre funkigen Gitarrenläufen für Staunen sorgt. Auch "Echo Chamber" macht noch mal richtig ordentlich Druck und zeigt, welche Wunder ein gutes Gespür für Dynamik in einem oft als repetitiv und selbstreferentiell verschrienen Genre wirken kann.
Wie bereits angedeutet geht den Herren auf der zweiten Albumhälfte leider etwas die Luft aus und man greift häufiger auf typische Genre-Standards zurück. Auch der verstärkte Einsatz von Klargesang bei Stücken wie "Pool Spray" und "Manichee" ist für die großflächige Anwendung schlicht zu poppig und handzahm und sorgt daher für einen Bruch in der vorherrschend düsteren Grundatmosphäre. So nehmen sich VEIL OF MAYA mitunter selbst ein wenig den Wind aus den Segeln, weshalb sich die zweite Albumhälfte etwas durchwachsen anfühlt und lange nicht so gut unterhält wie die erste. Das mit gruseligen Samples unterlegte, zwischen Horrortrip und catchy Alternative-Hymne schwankende "Graymail" und das treibende Groovemonster "Tyrant" zeigen VEIL OF MAYA allerdings trotzdem noch mal in der anfangs präsentierten Stärke.
Somit ist "False Idol" ein insgesamt recht unterhaltsames Modern-Metal-Album geworden, das die Bezeichnung "progressiv" tatsächlich über weite Strecken verdient. Nur einige weniger spannende Momente und der zu penetrante Klargesang im späteren Albumverlauf trüben den Gesamteindruck etwas.