Es gibt gute Reunions, es gibt schlechte Reunions und es gibt welche, die eigentlich gar keine sind - und gerade deswegen zu begeistern wissen. Auch wenn Seattles TRIAL nie so viel Aufmerksamkeit zuteil wurde, wie den damals sehr populären und vergleichbaren STRIFE, so hinterließen sie mit ihrem furiosen Langspieler Are These Our Lives? (Equal Vision) eines DER spät 90er Hardcore-Alben schlechthin. Mit WAIT IN VAIN kehrt TRIALs Gitarrist/Songwriter Timm McIntosh zurück auf die Bühne, dieses mal allerdings nicht an der Gitarre, sondern hinter dem Mikrophon. Und tatsächlich könnte auf Seasons auch ohne Zweifel der TRIAL Schriftzug prangen.
Bereits der Double-Bass getriebene Beginn des Openers Another Year erinnert sofort an das Gewitter, mit dem TRIAL einst ihren Langspieler eröffneten. Und wenn man nicht wüsste, dass McIntosh hinterm Mikrophon steht, dann könnte man meinen, dass TRIAL-Sänger Gregg Bennick für die rauen Vocals verantwortlich ist. In den folgenden 27 Minuten treten WAIT IN VAIN das Gaspedal weitestgehend voll durch, streuen aber immer wieder klassische Mid-90er Chugga-Chugga Parts ein, die Seasons ausgesprochen tanzbar machen (White Picket Fences, Forget Me Not, etc.) Das ein oder andere groovige BURN-Zitat darf natürlich auch nicht fehlen (A Blind Eye), dennoch ist Seasons keinesfalls nur der damals war alles besser Fraktion zu empfehlen. Das Album belohnt nämlich nicht nur jene, die die Zeiten vermissen, als metallische Einflüsse noch sehr subtil daher kamen (wie z.B. bei frühen CULTURE, DESPAIR oder den bereits erwähnten STRIFE). Nein, auch Fans vom klassischen Seattle-Hardcore der CHAMPION Schule kommen bei den 10 Songs dank des Fingerpoint freundlichen Songwritings auf ihre Kosten.
An diesem Punkt fällt eine weitere interessante Personalie auf, und zwar Bassist Roger Kilburn von den überragenden und leider viel zu früh aufgelösten SINKING SHIPS. Zwar drückt er den Songs nur selten den melodischen Stempel seiner Ex-Band auf, doch wenn er es tut, dann mit garantiertem Gänsehaut-Faktor. Der hymnische, leicht melancholische Titelsong ist dementsprechend für mich auch ganz klar das Highlight des Albums. Ohne in generische Modern Hardcore Gefilde abzudriften, findet der Song genau die richtige Balance von Power und Melodie. Irgendwie schade, dass nicht noch 2-3 weitere Lieder in diese Richtung gehen. Wenn es sonst noch etwas zu kritisieren gibt, dann nur die Tatsache, dass McIntoshs Vocals (wie auch einst die von Gregg Bennick) hin und wieder etwas dumpf und monoton wirken, was Seasons aber nur sehr geringfügig schadet. Und noch was: auch wenn man über die Produktion nicht meckern kann, wäre es nicht schlecht gewesen, sich nicht so sklavenhaft an den Sound von TRIAL zu halten. Ein etwas anderer Mix hätte Seasons durchaus noch essentieller machen können.
Keine Frage, sollten WAIT IN VAIN noch eine Weile zusammen bleiben, dann darf man noch so einige Großtaten von den Jungs erwarten. Seasons ist schon mal ein toller Auftakt und glänzt mit einem Sound, den nicht mehr viele Bands so hinbekommen. Für eine 8 reicht es noch nicht ganz, für eine sehr gute 7 aber allemal.