Album Nummer 3. Eine Zahl, welche bei jeder Band dieselbe Frage aufwirft: Eintagsfliege, oder doch „mehr“? Was Ge-…pardon, Sub-Genre (denn mehr ist das alles – bei aller großen Szene und Subkultur – eben nicht)-Pionieren ALL SHALL PERISH mit „Awaken The Dreamer“ tadellos gelang und ihren Status nur weiter etablierte erweist sich auch beim Hoffnungskind WHITECHAPEL mit „A New Era Of Corrpution“ als geglücktes Manifest.
Doch wer hätte WHITECHAPEL jemals zugetraut irgendwann die Speerspitze des Deathcores anzuführen? Klar: Rar sind hier die wirklich herausstechenden Veröffentlichungen geworden, Impulse werden größtenteils in Punkto Merchandise gesetzt. Doch WHITECHAPEL fingen unauffällig an, legten mit ihrem Debüt „The Somatic Defilement“ ein zwar durchaus unterhaltsames, aber noch recht geradliniges Werk vor. Zwar fielen WHITECHAPEL unter Kennern auf – daran sie als „das nächste große Ding“ zu handeln dachte man jedoch zu keiner Sekunde. Der Nachfolger „This Is Exile“ folgte entsprechend ohne große Erwartungen, kam regelrecht plötzlich irgendwann im späteren 2008. Umso mehr zog das Ganze einen langen Rattenschwanz: „This Is Exile“ wurde von Presse wie Fans größtenteils euphorisch aufgenommen, markierte in Punkto Songwriting und vor allem Atmosphäre einen großen Sprung nach vorne. Das war zwar – wie das so oft ist – nicht unbedingt Konsens, machte aber Leute wie mich vom Freund zum Fan der Band. Aber vor allem rüttelte es die Deathcore-Landschaft wieder etwas wach, bewies das auch nach „Doom“ oder „The Price For Existence“ noch ganz große Werke erscheinen können.
2 Jahre später. Immer noch rotiert „This Is Exile“ (wie auch „The Somatic Defilement“) gerne in meinem Player – und immer noch hat sich die Deathcore-Landschaft kaum verändert. Doch auch eins hat sich nicht verändert: Die Erwartungshaltung gegenüber einem neuen WHITECHAPEL-Album. Gut: „This Is Exile“ war herausragend, „The Somatic Defilement“ war ebenfalls klasse. Doch schon das Cover, schon der erste Track auf MySpace lassen eine konsequente, aber eben auch belanglose Fortführung erwarten. Und ich will sie einfach nicht Versagen hören – Versagen an der Aufgabe, an einer Fortsetzung eines so überraschend guten Zweitwerks zu scheitern.
Zwei Prädikate aus den vorigen paar Sätze darf man sich dabei auch für „A New Era Of Corrpution“ merken: Konsequent und überraschend. Denn: Konsequent, ja, das ist „A New Era Of Corruption“ als Fortsetzung. Denn Hand aufs Herz: Die stilistischen Quantensprünge bleiben doch aus, WHITECHAPEL bleiben eben noch WHITECHAPEL. Doch das ist vollkommen okay – und schon kommen wir zu „überraschend“: Denn letztlich wirkt „A New Era Of Corruption“ dennoch frisch, was vor allem der Qualität des gebotenen geschuldet ist. WHITECHAPEL kopieren sich nicht, machen nur aus ihrem seit „This Is Exile“ manifestierten Sound mehr und präsentieren mit ihrem dritten Album ein Mammut, welches an epischen Momenten keineswegs spart. Schließlich wissen wir seit dem Vorgänger dass sich WHITECHAPEL nicht (mehr) geradewegs nach vorne durchbolzen, sondern vor allem die Atmosphäre in den Vordergrund stellen.
„Gänsehaut“ ist dabei ebenfalls so ein Wort, welches mir bei diesem Album sofort in den Sinn kommt. „Devolver“ kommt zwar als Opener noch recht üblich daher, baut jedoch im Verlauf des Songs eine derartige Spannung auf, dass es einen förmlich erdrückt. „We have waited our lives for this moment to come. The times has arrived – the new era of corruption.“. Ganz groß dann auch, wenn sich in „Reprogrammed To Hate“ ausgerechnet DEFTONES-Stimme Chino Moreno dazu gesellt. Seien wir ehrlich: Wann hat der Mann bitte das letzte Mal so energisch und schlichtweg krank geschrien? Beinahe beängstigend! Und wenn sich dann WHITECHAPEL-Frontröhre Phil Bozeman in gewohnter Manier noch dazu gesellt ist das Gefühl des Pathos perfekt. Doch halt: „A New Era Of Corruption“ ist noch nicht vorbei, und hat noch viel viel mehr zu bieten. „Prayer Of Mockery“ schafft da beispielsweise mit unheimlich-schönen Soli eine sich tief ins Gemüt bohrende Atmosphäre, und auch der Rausschmeißer „Single File To Dehumanization“ beweist ein herausstechendes Gefühl für den besonderen Moment. Hut ab WHITECHAPEL: Ihr seid wahrhaftig die Speersitze. Spätestens mit Album Nummer 3.