Plattenkritik

Willie ISZ - Georgiavania

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Release Date: 26.11.2010
Datum Review: 02.01.2011

Willie ISZ - Georgiavania

 

 

„Sag mir wo du herkommst und ich sage dir wie du klingst.“ Nirgends fällt es leichter, diese leicht abgewandelte Redensart auch in die Tat umzusetzen als im Hip Hop. Da wären jetzt also WILLIE ISZ und es braucht etwa eine Minute, um auch ohne Blick auf den Albumtitel mit traumwandlerischer Sicherheit zu erraten, woher der Wind weht. Wenn sich nämlich funky Gitarren mit bounciger Bassline vermischen und darüber auf genau die Art geflowt wird, wie man es schon von OUTKAST-MC BIG BOI kennt, dann ist die Gewissheit schnell da: der Dirty South hat mal wieder zugeschlagen. Noch stärker tritt dieser Eindruck im folgenden Titelsong „Georgiavania“ zu Tage, wenn Rapper KHUJO GOODIE auf die möglicherweise billigste und doch gleichermaßen wirkungsvollste Synthie-Klimpermelodie der letzten Jahre mit einem Elan und einer Selbstverständlichkeit seine Hochgeschwindigkeitsreime kickt, dass selbst oben schon angesprochener BIG BOI dagegen nahezu blass aussieht, sich aber letztlich vor allem ganz hervorragend in einen Song einfügt, der ein wenig so klingt, als wäre die hauseigene DUNGEON FAMILY doch nicht unverdienterweise in der Versenkung verschwunden.

Doch es ist nicht alles so angenehm berechenbar auf „Georgiavania“, das in den USA schon 2009 erschienen ist, aber auch dort leider eher ein Nischendasein in den Plattenläden zu führen scheint. Ob es in Europa nun mit dem Re-Release nun zu einem Popularitätsschub kommen wird darf zumindest angezweifelt werden. Das hat nun aber dezidiert rein gar nichts mit der undiskutierbaren hohen Qualität der Musik zu tun, sondern damit, dass sich WILLIE ISZ voller Inbrunst zwischen alle Stühle hocken und fortan mehr als nur einige Schritte Richtung Pop auf der einen und psychidelische Soundscapes auf der anderen Seite wagen. Wenn man so möchte, dann ist „Georgiavania“ möglicherweise das Album, das dabei herausgekommen wäre, wenn OUTKAST sich nicht dazu entschieden hätten, „Speakerboxxx“ und „The Love Below“ als separierte Einzelprojekte zu veröffentlichen, sondern Einflüsse beider Alben zu einem großen Ganzen verwoben hätten, das zwar gelegentlich etwas holpert, insgesamt aber so überraschend und frisch daher kommt, dass man sich als halbwegs interessierter Konsument fragt, warum nicht andere schon früher darauf gekommen sind, einen straighten Hip Hop Beat mit einem Irish Folk-Sample zu unterlegen und darauf simpel-wirkungsvolle Straßenweisheiten zum Besten zu geben („The Grussle“) oder KANYE WESTs „Spaceship“-Produktion mit entrücktem, aber dennoch punktgenauem und vor allem (wie überhaupt auf dem gesamten Album) absolut unpeinlichen Gesang zu paaren („I Didn’t Mean To…“).

Wie schon geschrieben: gelegentlich holpert es noch etwas. Nicht jede Idee will so zünden wie die angesprochenen Beispiele, doch insgesamt ist „Georgiavania“ schlichtweg ein Album mit ausgesprochen hohem „Aha“-Faktor und eine weitere Bestätigung, dass Hip Hop auch heute noch in der Lage ist, zu überraschen und zu verblüffen und musikalisch ohnehin längst nicht so limitiert, wie ihn all die Kritiker zuweilen gerne niederschreiben würden. Ganz im Gegenteil. Das hier ist schlichtweg richtig kreative, spaßige und gehaltvolle Musik und möglicherweise auch für Menschen geeignet, die sonst mit dieser Musik nicht ganz so viel anfangen können. Für alle anderen gilt ohnehin: reinhören mit Nachdruck empfohlen!

Tracklist:

01. “Willie Intro”
02. “Blast Off”
03. “Georgiavania”
04. “Loner”
05. “Gawn Jet”
06. “I Didn't Mean To”
07. “U Want Some”
08. “Spiritual Gladiators”
09. “The Grussle”
10. “Violet Heart Box”
11. “Shine“
12. „In The Red“

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Manuel F.

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Eher so der Kumpeltyp.