31.10.2014: Impericon Never Say Die! Tour - Wiesbaden - Schlachthof

31.10.2014
 

 


Alle Jahre wieder pilgern tausende von Musikjüngern zur IMPERICON NEVER SAY DIE TOUR, die für viele den Auftakt zur Hallensaison einläutet. Tourstart war dieses Jahr in Wiesbaden.
Wer ganze sieben Bands in nur fünf Stunden durchprügeln will, der muss einerseits früh anfangen und gleichzeitig irrwitzig kurze Slots für die meisten Bands rausgeben. Die Halle ist noch halb leer, als CAPSIZE um Punkt 18:00 Uhr die ersten Töne anschlagen und man wundert sich, ob es sich für nur 20 Minuten Spielzeit für die Band aus Kalifornien eigentlich rentiert, quer um die Welt zu fliegen.
Was ihre Vorgänger noch nicht schafften, erledigen nun NO BRAGGING RIGHTS, nämlich das etwas unterkühlte Publikum anzutauen. Sympathisch, echt, abwechslungsreich, mit schönem Groove und Aussage klingt die Combo live noch besser als auf Platte und ist definitiv ein Grund, schon früh zur Tour zu erscheinen.
Nach etwas mehr als einer Stunde seit Beginn der ersten Band spielen auch schon MORE THAN A THOUSAND auf. Das Tempo, das auf dieser Tour vorgelegt wird, ist wirklich schwindelerregend. Sein übriges tut da auch noch der Sound, der während der meisten Bands an diesem Abend eher zu laut, als zu gut abgemischt ist. Doch gerade die Jüngeren im Publikum beeindruckt das nicht, schmettert doch die Band, die sich betont Fan-nah gibt, eine Hymne nach der anderen. Man kann bekanntlich über Geschmack streiten, jedoch liefern MORE THAN A THOUSAND einen grundsoliden Auftritt ab. Die Menge jedenfalls feiert ihren verkaufsfördernden Mix aus eingängigen Mitsing-tauglichen Chorussen mit Pop-Rock Harmonien und Metal-Riffs.
Auch für OBEY THE BRAVE, der ersten von zwei Bands an diesem Abend aus Kanada, macht die Meute ordentlich Lärm. Von der Bühne aus feuert die Band alles was sie hat auf die Menge, die wie gut konditionierte Haustiere im Pit ihre Kunststückchen vollführen. Wer jedoch genau hinhört, bemerkt einige kleinere Patzer in diesem Wirbelsturm aus Dynamik und Sound.
Im Publikum wird nun – es ist gerade einmal kurz nach halb neun – das Prinzip der Umwälzung sichtbar. War man zuvor von noch eher jüngeren, Geschlechter-heterogenen, Semestern umgeben, schiebt sich nun die „ältere“ männliche Generation nach vorne. COMEBACK KID sind jetzt an der Reihe und lösen den vorherrschenden Pop mit Punkbeats ab. Und obwohl die Kanadier seit über zehn Jahren zum Who-Is-Who des Hardcores gehören, sind sie nicht abgehoben, sondern erfrischend. Und obwohl sie eifrig touren, ist kein Konzert gleich, oder gar langweilig, auch wenn man sie schon mehrmals gesehen hat. So spielt sich die Band quer durch ihre Geschichte, von ganz alt bis ganz neu, aber spätestens bei Gassenhauern wie „Wake The Dead“ hat sich jede Kehle in der Menge heiser gebrüllt.
STICK TO YOUR GUNS sind auf der NSD-Tour mindestens der heimliche Headliner. Kurz bevor die Band die Bühne betritt und mit „Empty Heads“ loslegt, ist die Spannung im Publikum beinahe greifbar. Verglichen mit jetzt waren die ganzen Bands zuvor nur Appetizer, an denen man achtlos herumnagt. Doch da sind die modernen Ikonen aus Orange County und der Knoten platzt, spätestens jedoch beim zweiten Lied „Amber“. Von da an presst alles nach Vorne und Crowdsurfer kommen von allen Seiten. Songtechnisch werden nur Titel der letzten beiden Alben gespielt, inklusive ihres brandneuen Songs „Nobody“. Musikalisch/spielerisch ist die Leistung Top. Einziges Manko: Sänger Jesse beginnt allmählich die Bühne mit einer Predigtkanzel zu verwechseln. Quasi jeder einzelne Song wird breitspurig angekündigt, so dass das Ganze haarscharf von der Aussage an der Laberbacke vorbei schrammt.
Wer noch nicht wusste, dass sich TERROR ganz stark über ihre Geschichte und über die Geschichte des Hardcores im Allgemeinen definieren, weiß es spätestens nach dem gesprochenen Intro vom Band. Das Publikum hat sich wieder leicht verändert und nun blickt man auf eine absonderliche Mischung aus kleinen Mädchen in hautengen Terror-Shirts und Hotpants, und kahlrasierten Stiernacken vor sich. Tatsächlich ist etwas weniger los als bei STICK TO YOUR GUNS, allerdings ist der Exodus weniger schlimm als befürchtet. Falls Sänger Scott Vogel bei den Vorgänger-Bands entgegen seiner Gewohnheit einen Blick aus dem Backstage geworfen hat, zeigt er sich jedenfalls davon unbeeindruckt. Und so spielten die Urgesteine ein beinahe stoisch solides Brett, bewarf das Publikum geradezu mit Pathos, Testosteron und Einheitsgedanken, dass sich im Gegenzug mit noch mehr Crowdsurfs und Kämpfen um das Mikrofon bedankte.