Interview mit TIGERYOUTH

20.04.2019
 

 

Deine Platte „Schmuck“ ist am Freitag rausgekommen. Ich habe dazu bisher vier Berichte gelesen, bei Allschools ist auch schon einer online. Ansonsten Handwritten, den hast du ja auch geteilt. Prettyinnoise und Bierschinken. Die beiden letzteren waren eher verhalten.

Bierschinken finde ich total geil. Die können Sachen auch richtig geil finden. Die letzten beiden Platten von mir haben sie voll gut besprochen. Konzertberichte von mir sind bei denen grundsätzlich so richtig scheisse. Die hassen mich wie die Pest, finden mich aber nett. Wir kennen die auch alle persönlich und sind cool miteinander. Aber die finden meine Musik richtig scheisse und sagen das auch einfach, das find ich eigentlich geil. Ich finde auch vieles scheisse. Cool, dass die da so eine Plattform geschaffen haben, wo denen das alle auch so ein bisschen nachsehen. Unter den Voraussetzungen ist die Rezension aber recht gut. Er meinte ja auch, dass er dem Ding Respekt zollt. War dann halt eine Geschmacksfrage.

 

Wie hast du das Feedback denn bisher wahrgenommen?

Ich habe das gut wahrgenommen. Habe da aber bisher nicht so viel drüber nachgedacht.

 

Gestern war auch die erste Show auf deiner Tour richtig? Aber vorher hast du ja auf der LYGO-Tour auch schon neue Songs gespielt haben.

Ja, da kamen die auch richtig gut an. Viele haben die neue Platte gekauft. Von den Leuten, die die Platte gekriegt haben, habe ich auch nur Gutes gehört.

 

Inwiefern kann man das denn mit deinen anderen beiden Alben vergleichen? Sind deine Erwartungen da diesmal größer gewesen?

Nee, ich mache ja auch keine Hits.

 

Ansichtssache.

Ja, gut. Ich mache das ja gerne und würde es auch nicht rausbringen, wenn ich es nicht geil finden würde. Ich habe jetzt nicht erwartet, dass mit der Platte ein großer Schritt erfolgt. Viele Bands verknüpfen das vielleicht auch mit dem dritten Album.

 

Ja, die ersten zwei können noch aus einem Guß sein, die dritte muss dann anders sein.

Genau, die muss dann knallen. Aber so ein Label wie Zeitstrafe forciert natürlich auch keinen großen „Erfolg“.

 

Erwartest du denn irgendeine Steigerung in den Verkäufen, den Live-Shows oder ist dir das vollkommen egal?

Ich hoffe immer, dass es langsam wächst. So war es ja auch die letzten Jahre. Langsam wird es auch strukturierter. Mit jemandem, der sich um das Booking kümmert und so weiter. Insgesamt ist alles besser organisiert. Weniger Konzerte, aber dafür besser geplant. Für mich ist das schon ein krasser Schritt, dass das jetzt in so geregelten Bahnen läuft und ich nicht mehr alles selber zusammen zimmern muss. Nicht mehr so wahllos und ewig auf Tour fahre. Das war zwar super geil und notwendig, macht jetzt aber auch keinen Sinn mehr. Da vergraulst du nur die Leute irgendwann.

 

Welche Unterschiede gibt es denn auf der neuen Platte verglichen mit den anderen beiden?

Wir haben uns im Vorfeld voll viele Gedanken gemacht mit Kai, der das aufgenommen hat. Wir hatten beispielsweise die Idee, alle Songs mit so einer Art Elektrobeat zu unterlegen. Nicht so, dass es eine Band wäre, aber ein Beat.

 

Und den hättest du dann auch live laufen lassen wollen?

Ich glaube, das wäre der Plan gewesen. Wir haben das im Studio auch probiert, aber es war halt erst geil, als wir alles ausgemacht haben. Dann war alles stimmig. Wir haben dann nur noch zweite Gitarren und zweite Gesänge gemacht und alles war voll geil.

 

Ein bisschen hast du ja sogar rumprobiert, mit Synthies und E-Gitarren im Hintergrund.

Ja, genau. Wir sind halt ein bisschen einen anderen Weg gegangen. Von der letzten Platte hätte man vielleicht etwas mehr Band-Charakter erwarten können, da war ja auch ein bisschen Schlagzeug drauf. Ich habe einfach das Gefühl, dass das so passt. Ich will ja auch alleine touren und fand es dann natürlicher, das auch so auf Platte zu bringen.

 

Du hättest das mit dem Beat ja auch erstmal auf einem Song probieren können.

Klar. Ich werde auch nicht ewig so weitermachen und muss mal gucken, wie es weitergeht. Ich habe immer noch das Gefühl, dass ich wenig Einfluss auf das Songwriting habe. Ich kann mich nicht hinsetzen und sagen „Jetzt schreibe ich einen xy-Song“. Das kam halt dabei raus. Auf der Platte wollte ich auch ein bisschen weg von der ewigen Ich-Erzählung. Teilweise sind es Geschichten. Das ist nicht eins zu eins das, was ich denke und erlebe.

 

Schreibst du denn immer Lieder und hast einen Überschuss?

Es hat sich so eingependelt, dass ich mit einem Freund jede Woche einen Song schreibe. Wir spielen uns Sätze zu und schreiben in der kommenden Woche jeder einen Song mit dem vorgegebenen Satz. Eine Songschreib-Übung, quasi. Dabei kommen erstaunlich viele geile Songs bei raus. Zwei, drei davon sind auch auf der Platte gelandet. Ich muss mich immer selber ein bisschen dazu zwingen, dass ich das trainiere und immer in mein kleines Heftchen Sachen schreibe. Von den Sachen, die ich nicht aufschreibe, verwende ich fast nichts. Manchmal brauche ich Gedankenanstöße, um am Ende einen Song zu schreiben.

 

Guckst du ins Heftchen denn danach nochmal rein?

Ja, ich blättere dann da durch. Ich schreibe mir Sätze raus, die ich von dem ganzen Schrott gut finde und dann schmeiße ich das Heft weg. Da ist echt so viel Scheiße dabei. Ich will auch nicht, dass das irgendjemand mal findet. Am Ende findet das mein Sohn und denkt sich „Boah, Papa war so ein Idiot“ (lacht)!

 

Schämst du dich dafür?

Ne, nicht direkt. Es ist einfach manchmal nicht lesenswert. Dann probiere ich was aus und schreibe irgendeinen Vierzeiler mit Reimschema und dann ist das halt einfach ein Witz.

 

Hätte ja sein können, dass du beim dritten Album dein Schema gefunden hättest und nicht mehr so viel rumprobieren musst.

Ne, leider nicht. Bei meiner Band EAST ist das anders. Ich schreibe ja auch Gesang und Gitarre für TIGERYOUTH gleichzeitig. Es fällt mir schwer und dauert lange. Aber wenn dann was kommt, kommt es auch schnell. Mit der Band stelle ich mich in den Proberaum und wir brauchen 10 Minuten, bis wir ein Grundgerüst von einem Song haben. Und mir fällt direkt was ein, das ich singen kann. Dann schreibe ich Texte in einer halben Stunde Bandprobe.

 

Kommt denn da was Gutes bei rum?

Ja, voll. Das meiste ist direkt so aufs Album gekommen, die ersten Entwürfe. Natürlich überarbeite ich das nochmal.

 

Vielleicht brauchst du Druck von anderen.

Ich bin da halt einfach auch freier, weil ich da nur singe und nur in meinem Element bin, mich darauf konzentrieren und mich da rein finden kann. Wenn es um die eigenen Songs geht und man einen hohen Anspruch hat, dauert es halt voll lange, bis ich auf Gitarre was gefunden habe, das ich gut finde. Dann sind es oft Sachen, zu denen ich noch nicht singen kann, weil ich es noch nicht spielen kann. Und dann muss ich das erstmal lernen.

 

Kannst du was zum Cover-Artwork sagen?

Was soll ich dazu sagen? Es ist geil.

 

Ein älterer Mann wird von seiner Mudda vor dem Weihnachtsbaum umarmt.

Ja, und am Weihnachtsbaum hängt noch so ein Familienfoto mit mehreren Leuten drauf. Wir haben mega lange nach einem Cover gesucht. Und da hat es einfach geklickt. Ich finde, das soll für sich sprechen. Das ist ja auch ein Kunstwerk für sich von diesem Fotografen. Eine Freundin hatte für das Cover auch schon was gemalt und ich fand das auch cool, dann kam aber Renke von Zeitstrafe mit diesem Foto um die Ecke und meinte, dass das voll gut auf diese Stimmung passen würde.

 

Stimmung im Sinne von Spießbürgertum?

Es ist irgendwie gleichzeitig voll schön und voll trist und düster. Trist vielleicht nicht, aber düster. Irgendwas ist so ein bisschen off. Aber eigentlich umarmt sie ihn voll innig. Dann noch der Weihnachtsbaum..

 

Es kommt trotzdem keine Weihnachtsstimmung auf.

Trotzdem ist da irgendwie noch viel „Wärme“ drin.

 

Gibt es denn zum Titel „Schmuck“ eine Verbindung zu dem Foto?

„Schmuck“ ist ja einerseits etwas, das du trägst und schön findest. Aber wenn jemand sagt „Das ist Schmuck“ oder „ein schmucker Junge“, dann kann es auch eine negative Konnotation haben. Jemand, der so ein bisschen überzeichnet ist. Ein bisschen drüber.

 

Wenn die Fassade mehr verspricht, als drin ist?

Ja, das trifft es glaube ich ganz gut. Viel Tristesse hinter der Fassade.

 

Du hast etwa eine Woche jetzt mit LYGO getourt, was ist dein Resumé? Ich war in Düsseldorf.

Das war super geil. Düsseldorf war auch ein bisschen das Highlight der Tour, auch für die Jungs. Die sind ja auch hier aus der Gegend.

 

Sind auch größere Läden gewesen, als du sie sonst so spielst, oder?

Ja, wir hatten aber auch ein paar Downer. In Marburg waren zum Beispiel sehr wenige Leute. Die Jungs haben mich aber voll nett aufgenommen. Als ich meinen PKW ausgepackt habe mit meinem Amp und meinem Merch, haben die sich aber schon gedacht „Ja wie, ich dachte wir nehmen hier nur eine Akustikgitarre mit?“.

 

Ach, ein Amp ist mir aber in Düsseldorf auch nicht aufgefallen.

Ja, ich verstecke den gut. Aber ich spiele immer in den Amp, dann bin ich soundmässig ein bisschen unabhängiger. Eigentlich mag ich diesen typischen Akustikgitarrensound gar nicht so gerne.

 

Hängt von dem Raum ab?

Es liegt auch an demjenigen, der Sound macht. Die stellen dann die Akustikgitarre ein, wie sie sich das vorstellen. Über den Amp hat es dann immer Wumms. Für die ruhigeren Songs habe ich noch ein crunchigeres Setting. Und mir macht das viel mehr Bock so. Den Amp habe ich zum ersten Mal auf der Zeitstrafe-Jubiläums-Show ausprobiert letztes Jahr.

 

Bist du denn noch aufgeregt, wenn du auftrittst? Man kann ja auf deinen Shows sehr gut mit dir in Kontakt treten und du kommst so locker rüber.

Ey, ich bin so krass aufgeregt jedes Mal. Ich habe auch das Gefühl, ich werde jedes Mal ein bisschen aufgeregter. Aber das finde ich auch geil. Macht mega Bock. Auf der Bühne benehme ich mich inzwischen manchmal ein bisschen Assi, habe ich so das Gefühl.

 

Um das zu überspielen?

Nö. Die Aufregung fällt dann so ein bisschen ab und dann bin ich so ein bisschen auf Konfrontation aus.

 

Du kannst dich natürlich auch hinter nix verstecken und hast als Solo-Künstler den ganzen Fokus auf dir.

Deswegen habe ich die Gitarre auch so hoch hängen.

 

Aber so lässt es sich auch besser spielen, richtig? Besser für’s Handgelenk.

Auf jeden Fall. Stimmt auch, dass man sich sonst das Handgelenk kaputt machen kann. Ich wollte damit immer auch so ein bisschen Weg von diesem „Gitarren-Phallussymbol“. Ich habe immer das Gefühl, dass die Boys sich so die Gitarre vor den Schritt hängen und dann da so eine Schwanzverlängerung haben. Das ist irgendwie komisch. Fand ich nie geil. War mir immer schon suspekt.

 

Eine bewusste Entscheidung also.

Jo.

 

Du hast ja vor dem Album ein Jahr Babypause gemacht.

Ja, das hätte ich wahrscheinlich auch so gemacht. Aber mit Baby war halt ein besserer Grund.

 

Vorher hast du ja mega viel gespielt. Geht das denn jetzt noch?

Wie gesagt, das ist ja jetzt besser planbar. Auch auf lange Sicht. Es wird schon insgesamt weniger, ich spiele dieses Jahr vielleicht 50 Shows. Ich bin dann halt nicht immer überall, sondern punktueller. Wenn ich zuhause bin, habe ich Zeit und kann mich um das Kind kümmern. Meine Freundin macht gerade einen Master und arbeitet nebenbei. Das lässt sich besser vereinbaren als gedacht, ich hätte auch gedacht, dass es stressiger ist.

 

Naja, wäre es wahrscheinlich auch, wenn du weiter das gewohnte Pensum gefahren wärst. 571 Shows habe ich heute gelesen. Stand: Ende Januar.

Ich glaube, ich schaffe dieses Jahr die 600. Wenn ich meine Bands mitzählen würde, hätte ich noch mehr.

 

Kannst du was von den Anfängen von TIGERYOUTH erzählen? Wieso klingt das so nach Punk, obwohl es Singer/Songwriter ist.

Am Anfang sollte TIGERYOUTH eigentlich eine Band werden. Aber ich war der Einzige, der richtig Bock hatte. Das war in Ibbenbüren. Alle meine Kumpels hatten Bands und sind die ganze Zeit durch Deutschland gefahren.

 

Was gab es da für Bands?

Mega viele. DIMENSIONS, ANNOTATION. So ein Kram. FORCE OF CHANGE früher. Alles voll geil. Ich bin dann auch viel mitgefahren, aber war nie selbst in einer Band. Die Anfänge von TIGERYOUTH waren dann recht erbärmlich. Die Bands, die ich davor hatte, kannst du natürlich auch in der Pfeife rauchen. Wir haben dann angefangen Shows zu spielen und ein Demo gemacht, zu zweit noch. Da waren schon die beiden anderen abgesprungen. Das hat gut funktioniert am Anfang.

 

Und da war Punk geplant?

Nö, das war einfach das, was ich halt geschrieben habe. Ich hatte immer eher eine Band im Kopf beim Schreiben.

 

Eher Powerchords statt Akustik-Chords?

Ja.

 

Ich finde, du stichst schon ein wenig raus. In einem Review stand sogar drin „Der einzige Punk im Singer/Songwriter-Bereich“. Auch durch deine krächzige Stimme.

Haha. Gut kaputt gesungen.

 

Spielst du denn viel mit anderen Singer/Songwritern, dass du da Vergleiche ziehen könntest?

Ne, ich versuche das immer zu vermeiden.

 

Ist halt auch ein langweiliges Genre teilweise. Wie sticht man da heraus?

Ich will da gar nicht mit anfangen. Da gibt es so viel Scheisse. Das ist auch nix, was ich selber höre. Ich spiele wirklich tausend Mal lieber mit der lokalen Schülerband als mit dem lokalen Singer/Songwriter.

 

Der in seinen Texten dann einen auf Poetry-Slammer macht..

Ja, am besten noch witzig. Witzige Musik. Da geht mir dann richtig die Pumpe. Und dann stehst du auch immer da, dann bist du auch immer alleine. Dann fällt das natürlich immer auf, wenn du es dir nicht anhörst. Ich möchte mich dann auch immer solidarisch zeigen und da sein und mir das anhören, aber ich finde das meiste echt richtig schrecklich.

 

Gibt es denn andere Singer/Songwriter die du empfehlen würdest aus Deutschland? Außer Orion jetzt?

Er ist ja eigentlich nicht mal einer. Orion macht ja eher eine richtig geile Emo-Band. Mir geht da das Herz auf, wenn er live spielt. Ich sehe das aber auch eher als Band. Was ich früher richtig geil fand war LEIF MARKUSSEN. Der ist der einzige, bei dem ich sage: „Müsste unbedingt wieder anfangen“. Ach ne, stimmt nicht. Die LUCKLESS, mit der ich jetzt ein bisschen getourt bin. Aber das fällt auch ein bisschen aus dem Genre, eine Songwriterin aus Neuseeland. Die macht aber jetzt auch nicht mehr wirklich was. Ich habe super viel Anerkennung für Leute wie MATZE ROSSI, die das ganze Ding einfach durchziehen. Aber auch das höre ich mir nicht zuhause an. Wenn ich auf einer Show bin, kann ich aber trotzdem alle Songs mitsingen.

 

Was hörst du denn privat so? Sicher ja nicht MUMFORD AND SONS, oder?

Ne, bah. Ich hab schon einen sehr breit gefächerten Musikgeschmack. Im Auto auf Tour würde im Shuffle-Modus viel Hiphop kommen und viel Pop. 90s Emo ist aber so mit das geilste.

 

Sowas wie TEXAS IS THE REASON? Midwest Emo? MINRAL? SUNNY DAY REAL ESTATE?

Ja, auch. Aber gleichzeitig ist eine meiner absoluten Lieblingsbands auch COHEED AND CAMBRIA, die da auch irgendwie rausfallen. Mein erstes Tattoo habe ich von denen, geil. Ansonsten auch super viel Hardcore. Früher habe ich viel KID DYNAMITE gehört.

 

Verfolgst du auch aktuelles Zeug? Habe früher auch viel Hardcore gehört, aber da kommt in den letzten Jahren nicht mehr so viel geiler Kram, finde ich.

Doch, PETROL GIRLS zum Beispiel. Oder GOUGE AWAY, kennst du die? Mega krass. Ich bin sehr neugierig, was neue Musik angeht. Das darf man eigentlich nicht sagen, aber ich liebe Spotify so ein bisschen. Ich hänge freitagabends so ab und lade mir alle Alben, die mich so grob tangieren könnten, runter und höre dann rein. Die meisten fliegen dann nach einem Song wieder raus, aber ich habe einfach Bock auf neue Musik und finde interessant, was alles so passiert.


Parallel zu dir kam ja die neue Platte von BRUTUS raus.

Ja, auch mega geil. Auch wenn ich die Stimme glaube ich nicht so sehr mag. Beim ersten Reinhören war ich nicht so komplett begeistert, aber ich habe mir ein paar Live-Videos angesehen und das ist ja einfach nur krass. Aus einem ganz anderen Genre finde ich gerade die Platte von BILLIE EILISH gut. Die ist so 17 oder so.

 

LA DISPUTE kam jetzt auch raus. Die Band ist aber meiner Meinung nach schon seit langer Zeit total langweilig geworden.

Ich fand die Platte beim ersten Eindruck ganz gut, kann aber noch nicht wirklich was dazu sagen. Alben, die nicht direkt rausfliegen, lasse ich erstmal ein bisschen ruhen und gehe später nochmal ran. LEIF MARKUSSEN macht auch so Elektro-Kram. Ich weiß nicht mal, ob das Elektro ist. „Maschmeier“ heißt das Album, gerade rausgekommen, mega gut. LAURA STEVENSON, auch eine Singer-Songwriterin. Ansonsten mal hier meine Künstler durchgucken. Wieso habe ich denn DEICHKIND hier drin? HIOB, das ist auch Hip-Hop. Und ich liebe ALEXISONFIRE. Der neue Song ist auch super geil. Alles Mögliche, alles durcheinander. Nur kein Singer/Songwriter.

 

Wie lange wohnst du jetzt eigentlich in Berlin?

So drei Jahre.

 

Und was sagst du? In den letzten Jahren ist die Stadt ja fast schon ein bisschen verrufen als Hipster-, Drogen- bzw. freie-Liebe-Stadt.

Ach, das tangiert mich alles nicht. Ich nutze die Möglichkeit, auf coole Konzerte zu gehen und habe da so meinen Freundeskreis. Aber dieses ganze Partygedöns geht mir am Arsch vorbei, auch schon bevor ich Vater geworden bin. Ich setze mich da in eine Kneipe oder gehe auf ein Konzert. Auch die Stadt ist mir relativ egal. Ich finde sie glaube eher scheisse als geil.

 

Wieso wohnst du denn da?

Ich bin wegen meiner Freundin hingezogen. Es war mir aber auch schon immer scheissegal, wo ich wohne. Ich kann mich da gut arrangieren und komme dort gut klar. Habe auch einen coolen Job, den ich immer zwischendurch mache. Die Möglichkeiten sind riesig.

 

Dann könntest du ja auch in Köln wohnen.

Köln habe ich ja schon abgefrühstückt. Muss ich nicht nochmal haben. Ich habe meinen Zivi hier gemacht für ein Jahr. War ganz nett.

 

Auf Konzerte kannst du hier auch gehen.

Ja, aber in den Kneipen kannst du hier nicht mehr rauchen. Das ist schon mal ein Minuspunkt. Hier gibt es Karneval, das ist das schrecklichste, das ich mir vorstellen kann. Erstens viele Menschen, dann sind die alle verkleidet und alle noch besoffen. Damit kannst du mich jagen. Das ist mein schlimmster Alptraum. Ich zieh jetzt auf’s Dorf.

 

In welchem Dorf oder in welcher Stadt würdest du denn am liebsten wohnen?

An der Mosel. Aber das kriege ich nicht durch. Da wo meine Band herkommt. Wir ziehen aber jetzt wieder nach Ibbenbüren, da wo ich herkomme.

 

Da war ich noch nie. Da gibt es doch die Scheune, wo ab und zu Konzerte stattfinden.

Genau, da fange ich auch ein bisschen an zu arbeiten.

 

Allein touren – kann geil sein, aber bestimmt auch irgendwie komisch, oder? Vereinsamt man da?

Ne! Früher war es voll geil, da habe ich immer meine Sachen irgendwo eingeschlossen, meine Kulturtasche gepackt und geguckt, wo ich gelandet bin. Da bin ich so ein bisschen rausgewachsen. Mittlerweile toure ich auch nicht mehr allein, ich nehme immer jemanden mit. Habe dann immer eine Freundin dabei, die vielleicht ein bisschen Merch macht und so. Und jetzt kann ich mir sogar aussuchen, wer für mich als Support mitkommt. Voll geil. Das ist also nicht so einsam wie es klingt.

 

Vermutlich ist das wie allein reisen vs mit Leuten reisen. Man ist gezwungen, mit Leuten Kontakte zu knüpfen.

Genau, und das finde ich geil. Wenn du als Band ankommst, ist die Aufmerksamkeit so verstreut. Du kommst das nächste Mal an und keiner weiß mehr, wer du bist. Wenn du alleine auftauchst, bist du viel eher connected. Du hängst mit den Leuten, die da sind, ab und weist, wie der Mensch hinter der Theke heißt. Und die wissen im Endeffekt dann auch, wie du noch heißt.

 

Bei 571 Shows, hast du da irgendwie den Eindruck, irgendwas verpasst oder irgendwelche Abstriche gemacht haben zu müssen? Würdest du dein Leben nochmal genau so leben?

Haha, alles nochmal genau so. Ich habe halt nicht studiert, das hat zeitlich nicht gepasst. Das hole ich vielleicht nochmal nach.

 

Was machst du denn beruflich?

Paar Bühnen aufbauen, so ein bisschen Backliner für verschiedene Bands habe ich auch gemacht.

 

Und langfristige Planung? Macht dir keine Angst?

Ne. Da bin ich über meine Freundin ganz gut abgesichert. Und auch meine Familie unterstützt mich sehr gut. Das war nicht immer so und ist auch alles andere als selbstverständlich. Momentan muss ich mir um die langfristige Perspektive nicht so die Gedanken machen, was ein ziemlicher Luxus ist. Ich kann es mir quasi leisten, alles auf diese Karte zu setzen. Kann ja was werden. Kann aber auch voll in die Hose gehen.

 

Gut, dass es langsam ein bisschen Form annimmt.

Ja, ich hoffe. Nix erwarten, aber hoffen. Habe ich heute gelernt.