Wollte man PAINT IT BLACKs Schaffen im Allgemeinen und ihr neues Werk "New Lexicon" im Speziellen einmal etwas akademischer unter die Lupe nehmen, so böte sich Theodor W. Adornos und Max Horkheimers Kulturindustrie-These an, um aufzuzeigen, worin der Unterschied zu vielen anderen zeitgenössischen Bands, welche sich dem Punk-/Hardcore-Lager zurechnen, besteht. Besagte These geht (stark verkürzt) von einer Ökonomisierung und Kommerzialisierung von Kunst und Kultur aus, in deren Konsequenz auch der kritische Inhalt verwässert wird. Die Musik der Mannen um Dan Yemin würde in Abgrenzung dazu wohlwollend interpretiert - das Label "authentische Kunst" verpasst bekommen, da sie eben NICHT trivialen Nichtigkeiten anheim gefallen ist, obwohl PAINT IT BLACK natürlich selbst Teil der (Platten-)Industrie sind. Das wiederum könnte man dann als subversiv bezeichnen. Oder schlichtweg als Ehrlichkeit unter erschwerten Bedingungen des Marktes.
Leicht macht die Band es einem dabei zunächst nicht wirklich. Dr. Dan klingt angefressener denn je, wenn er Zeilen wie "This is a sermon for the vermin: a song to draw blood, a finger in the dam trying to hold back the flood" referiert, Schlagzeug und Bass sind prägnant in den Vordergrund gemischt und die Instrumentierung kommt stellenweise stark reduziert, fast schon skelettiert daher. Hinzu gesellt sich das punktgenaue Spiel Jared Shavelsons, der bereits Alben von NONE MORE BLACK und THE HOPE CONSPIRACY mit seinem Drumming veredelte und sich hier stellenweise regelrecht überschlägt. Der manipulative Clou jedoch sind die von Oktopus produzierten Soundscapes, welche einige Songs ausklingen lassen und dem Hörer unsanft die Synapsen massieren. Der Produzent der Avantgarde-Hip Hopper DÄLEK war im Schulterschluss mit J. Robbins eine exzellente Wahl, um einem in sich limitierten Genre phasenweise einen kräftigen Tritt in die Weichteile zu verpassen und mit stressigen Drone-Klanglandschaften zu erfrischen. Denn wie heißt es noch so schön provokativ in der Dialektik der Aufklärung: "Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit." Gänzlich melodieverloren kommen die 15 Songs dann aber auch nicht daher, wie 'The Ledge', 'Past Tense, Future Perfect' oder das grandiose "Männer-Chor-Finale" des die Platte beschließenden 'Shell Game Redux' beweisen. Mehrere Hördurchgänge sollte man sich dennoch genehmigen, "New Lexicon" fordert sie geradezu ein um am Ende vollends zu überzeugen.
Das kulturtheoretische Gedankenspiel des Anfangs ausblendend, bleibt unterm Strich eine verdammt überragende, leicht experimentierfreudige Hardcore-Punk-Platte, welche den stumpfen Hass vieler aktueller Hardcore- und Metal-Releases als Alternative mit reflektierter Angepisstheit ausbremst ohne dabei auf irgendwelche religiöse Motive zu rekurrieren. Dafür vielen Dank!
Tracklist:
01: The Ledge 1:33
02: Four Deadly Venoms 1:39
03: We Will Not 2:50
04: Past Tense, Future Perfect 2:22
05: Missionary Position 1:42
06: White Kids Dying of Hunger 2:08
07: Gravity Wins 2:51
08: Dead Precedents 0:48
09: The Beekeeper 1:55
10: Check Yr Math 1:30
11: So Much for Honour Among Thieves 1:52
12: New Folk Song 2:17
13: Saccharine 1:28
14: Severance 3:24
15: Shell Game Redux 2:37